Von den Bergen in die Ebene und zurück – von Seattle zum Glacier NP

Von den Bergen in die Ebene und zurück – von Seattle zum Glacier NP

Nach den dreieinhalb schönen, arbeitsamen und gleichzeitig sehr entspannenden Wochen, die wir mit und bei unserem Freund Don verbringen durften, machen wir uns am 16. Juli wieder auf den Weg. Diesmal geht es Richtung Osten mit Ziel Glacier NP in Montana.
Wir halten immer losen Kontakt mit verschiedenen Overlander-Freunden und es zeichnet sich ab, dass wir auf dem Weg zum Glacier NP gleich zwei Paare treffen könnten, die in die Gegenrichtung unterwegs sind.

Zuerst machen wir uns aber auf zum Mount Rainier NP, der sich unseren Blicken gegenüber wieder einmal die meiste Zeit keusch hinter wirbelnden Wolken verbirgt. Immerhin erhaschen wir bei der Anfahrt einen kurzen Blick (vermutlich war er da nicht gewahr, dass wir im Anmarsch sind…) und am nächsten Tag bekommen wir inmitten schnell vorbeiziehender Wolken wenigstens noch ganz kurz einen halben Berg zu sehen. Dabei hätten wir einen coolen Übernachtungsplatz mit direktem Blick auf den gewaltigen Vulkan gehabt…

Vielleicht hat ja die schlechte Sichtbarkeit etwas damit zu tun, aber wir finden, dass Mount Rainier von der Ferne, d.h. Tacoma und Umgebung am beeindruckendsten aussieht. Von dort aus erhebt er sich ganz allein hoch über die Küstenebene und man bekommt aus der Distanz den vollen Eindruck dieses gewaltigen Vulkans.

 

Vom Hochgebirge, wo wir in den Wäldern noch Schneereste entdecken, folgen wir dem Lauf des schäumenden Naches River in die trockenen Regionen im Regenschatten der Kaskaden.
Dort kommen wir uns dann fast ein bisschen vor wie im Südtirol! Rundum karge Hänge und im Talgrund unüberschaubare Apfelplantagen, die nur gelegentlich von Verarbeitungsbetrieben mit gewaltigen Stapeln grosser Apfelkisten unterbrochen werden (hier im Gegensatz zum Südtirol noch oft aus Holz).

 

In Yakima wenden wir uns wieder gegen Norden und fahren auf einer Nebenstrasse durch den hübschen Yakima River Canyon. Es geht aufs Wochenende zu und der Fluss ist bereits jetzt schon gut mit Menschen auf allen möglichen aufblasbaren Utensilien bestückt, die sich fröhlich den Fluss hinuntertreiben lassen. Besonders beliebt ist hier das «Inner Tubing», d.h. die «Fahrt» auf einem aufgeblasenen Lastwagen-Pneuschlauch.
Nach dem – abgesehen vom unmittelbaren Flussufer – kargen Canyon kommen wir ins Grasland um Ellensburg, wo die grossen Heuballen durch ebensolche Bogenzelte oder mittels spezieller Blachenkonstruktionen vor dem Regen geschützt werden.

 

Dank iOverlander finden wir einen sehr schönen Übernachtungsplatz entlang dem Hwy 97. Er liegt oben auf einem Berg in der Nähe einer Felsnase, die offenbar auch gerne für Poser-Pics genutzt wird…

 

Bald erreichen wir am nächsten Tag das Tal des Wenatchee River. Wir hätten gerne einen Blick auf Leavenworth, eine Art Bayerisches Alpendorf, geworfen, entscheiden uns aufgrund der ganzen Corona-Situation aber, das Städtchen auf später aufzuheben. Stattdessen folgen wir dem Fluss durch zahlreiche Äpfelgärten nach Wenatchee, der «Apfel-Hauptstadt der Welt». Statt mit Äpfeln decken wir uns dann aber im Home-Depot mit Anti-Rutschmatten ein, um die auf den Ablagen deponierten Bücher und Gegenstände etwas mehr zu schonen.

In Wenatchee treffen wir auch wieder auf den Columbia River, dem wir auf dem Scenic Byway westlich des Flusses nach Norden folgen. Der auch hier schon mächtige Fluss windet sich durch ein karges Tal, dessen Brauntöne nur gelegentlich durch das Dunkelgrün der Apfelplantagen und Weinberge auf den bebaubaren Terrassen unterbrochen werden.

Der Sommer ist mittlerweile voll ausgebrochen und wir haben Aussentemperaturen vom um die 33 °C. Am Lake Chelan sieht es denn auch aus wie bei uns im Hochsommer: entlang der Strasse sind unzählige Autos parkiert und die Seebadi ist gestossen voll. – Nichts für uns!

In Pateros werfen wir einen Blick auf den Stadtpark am Columbia River, wo man auch übernachten könnte. Hier entdecken wir, dass irgendwelche Steiners zu den Pionierfamilien gehörten, die diesen Ort zwischen 1890 und 1910 besiedelten. Trotzdem fahren wir weiter, weil uns dieser Platz irgendwie zu «öffentlich» ist.

 

Wir finden schliesslich – auch wieder dank iOverlander – einen spektakulären Übernachtungsplatz am kleinen Soap Lake (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Ort und See in der etwas weiter westlich gelegenen Grand Coulee). Er liegt auf einem Hochplateau über dem Okanagan River, das zur Colville Reservation gehört. Auch diese Reservation wäre wegen Corona möglichst schnell zu durchfahren, wie uns Leuchttafeln informieren, aber das Hochplateau ist – abgesehen von einigen Kühen – völlig unbesiedelt und leer, weshalb wir wir uns erlauben, trotzdem hier stehenzubleiben. Aufgrund der darin enthaltenen Mineralien ist dieser See im Gegensatz zu den anderen kleinen Seen in der Umgebung türkisblau und erinnert uns von seiner Farbe her an die Bahía Concepción in Baja California. Der See ist auch ein kleines bisschen salzig, hinterlässt im Gegensatz zum Meer aber ein leicht seifiges Gefühl auf der Haut (deshalb wohl der Name… 😊 ). Wir geniessen diesen speziellen Ort sehr, nicht zuletzt wegen der ganz unterschiedlichen Zustände und Farben des Sees, die sich je nach Windstärke und Lichteinfall dramatisch ändern.

 

In Omak, wo wir beim Rodeo Stadion (Fairgrounds) unsere Wasservorräte auffüllen können, haben wir unseren vorläufig nördlichsten Punkt erreicht.

Der WA-155 durch die Colville Reservation folgend, gelangen wir wieder zum Columbia River, der an dieser Stelle vom Grand Coulee Dam, dem grössten Kraftwerk Nordamerikas, gestaut wird. Die Führungen im dritten (dem 1942 fertiggestellten Damm erst 1974 hinzugefügten) Maschinenhaus sind wegen Corona natürlich sistiert, genauso wie die nächtlichen Lasershows, die auf Damm projiziert würden. Trotzdem verbringen wir einen ganzen Nachmittag damit, den gewaltigen Damm von allen Seiten zu bestaunen.

 

Neben der Energiegewinnung dient der Damm auch dazu, eine grosse Fläche Land (im Moment ungefähr 2,700 km2) im südöstlichen Washington zu bewässern. Dazu wird Wasser vom Lake Roosevelt zum Banks Lake hochgepumpt und von dort weiter verteilt.

Wir fahren zum Banks Lake hinauf und suchen uns einen Übernachtungsplatz am Ufer des Osborn Bay Lake, der eigentlich nichts anderes als eine durch die WA-122 abgetrennte Bucht ist. Leider sind diverse Spots entlang des Seeufers stark vermüllt – wir sind hier wohl zu nahe an Electric City… –, aber wir haben dann doch noch Glück und finden einen freien, einigermassen sauberen Platz.
Der «See» ist recht flach, was ihn schön warm macht zum Baden, aber auch viele Wasserpflanzen zur Folge hat. Offenbar beherbergt er auch eine ziemliche Anzahl grosser Fische, denen wir am Abend beim Jagen zusehen und zuhören können.

 

Am nächsten Tag folgen wir der Grand Coulee mit ihren von verschiedenen übereinander abgelagerten Lavaströmen gebildeten Seitenwänden nach Süden. Die Grand Coulee – wie auch die anderen, parallel verlaufenden Coulees – wurden durch verschiedene, gewaltige Fluten des eiszeitlichen Lake Missoula geformt. Der obere, breite Teil der Grand Coulee wird vom 40 km langen Banks Lake-Stausee ausgefüllt. Der Teil unterhalb der Dry Falls, des «grössten Wasserfalls der Welt ohne Wasser» besteht aus einem engen Canyon mit verschiedenen grösseren und kleineren Seen. Nach Soap Lake öffnet sich der Canyon dann in eine weite, leicht hügelige Landschaft, die intensiv für die Produktion von Getreide genutzt wird.

Uns beeindruckt besonders das grosse Becken der Dry Falls (Sun Lakes-Dry Falls SP), die wir uns – nachdem wir uns ausführlich mit einem sehr netten, auch Deutsch sprechenden Ranger unterhalten haben – auch von unten ansehen. Im „Talboden“ hat es zahlreiche grössere und kleinere tiefblaue Seen und Tümpel, die sich sehr malerisch von den gewaltigen schwarzen Klippen abheben. Es gäbe hier unten auch einen sehr schönen Campground, aber er ist – wie der angrenzende Park Lake – sehr, sehr gut besucht…
Immerhin können wir hier endlich für 30 $ ein Jahrespermit für die Washington State Parks (sog. Discover Pass) erstehen.

 

Da es hier sonst nicht allzu viele Übernachtungsmöglichkeiten gibt, fahren wir in den kleinen Ayer Boat Basin Campground (gratis Corps of Engineers-Platz) im Tal des Snake River. Die Wahl stellt sich als gut und schlecht heraus. Schlecht, weil es im Flusstal 44 °C heiss ist und auch in der Nacht nicht wesentlich abkühlt, gut, weil man von hier unten einen ungestörten Blick auf den Nachthimmel hat und wir sogar den Kometen Neowise beobachten können.

 

Am nächsten Tag besichtigen wir kurz den «Staats-Wasserfall» von Washington, die Palouse Falls, die sogar jetzt im Sommer noch recht beeindruckend sind (nur sollte man später am Tag kommen, damit der Fall von der Sonne beleuchtet wird… Aber es ist uns auch am Morgen schon heiss genug…).

Die WA-261 führt uns dann durch unendliche, hügelige Getreide-Weiten, wobei wir kurz durch den Transport eines enormen Windrad-Flügels aufgehalten werden. Wir möchten möglichst schnell aus dieser heissen Landschaft entfliehen und nehmen deshalb bei Ritzville die I-90, die uns vorbei an Spokane nach Idaho führt.

 

Heute Abend treffen wir unsere Schweizer Reisefreunde Jeannine und Jerry im Blue Lake RV Resort! Das letzte Mal haben wir sie im April in Nevada getroffen, wo sie zusammen mit uns und Don, Bill und Bob zwei Nächte im Panamint Valley verbracht haben.
Es gibt wieder sehr viel zu erzählen und wir verbringen eine schöne Zeit zusammen. Wir tauschen Reisetipps aus, grillen und baden zusammen im hübschen und erfrischend kühlen „Kettle Lake“ (leider haben die Duschen nur für zwei bis drei Personen genug warmes Wasser…).
Jeannine und Jerry verwöhnen uns mit feinem Wein aus echten Glasflaschen (wegen der rauen Pisten kaufen wir nur – meist ganz annehmbaren – Black Box «Château Carton») und sind so lieb, uns sogar für die 2. Nacht auf dem Campground einzuladen!

 

Am 3. Tag trennen sich unsere Wege wieder. Jeannine und Jerry fahren gegen Washington, während wir ihren Spuren folgen und uns Richtung Glacier NP auf den Weg machen.
Dort haben andere Schweizer Reisefreunde, die «DHai’s» Sibylle und Hermann, bereits für uns alle einen Platz am Flathead River gefunden. Wir freuen uns sehr, die beiden und ihren Hund Shell wiederzusehen, haben wir uns doch das letzte Mal vor ziemlich genau einem Jahr auf Neufundland kennengelernt und dort oben immer wieder einmal zusammen campiert.

Wir geniessen eine ganze Woche zusammen und können am Sonntag sogar noch einen Platz direkt am Fluss ergattern, der auch weniger staubig ist als der erste. Es ist schön und heiss und wir verbringen die Tage mit schwatzen, im etwa 17 Grad kühlen Flathead River baden (sogar Ozy geht ‘rein!!!), einkaufen, zusammen kochen, Vögel beobachten und Wasserfahrzeugen zugucken, die über die kleinen Stromschnellen flussabwärts navigieren – von richtigen Fischerbooten über River Rafts und allerlei Aufblasbares bis zu Standup-Paddlern gibt’s hier alles zu sehen.

 

An einem Tag machen Sibylle und Hermann einen Ausflug in den Glacier NP, m nächsten Tag sind wir dran. Da die Ostseite des Parks nicht zugänglich (wegen Covid gesperrtes Blackfoot-Reservat) und eine andere Strasse im Westen wegen eines Erdrutsches unterbrochen ist, konzentrieren sich fast alle Besucher auf ¾ der Going-to-the-Sun-Road.
Wir wären gerne etwas in der schönen Bergwelt gewandert, aber die Parkplätze (und die Trails) sind alle völlig so dermassen überfüllt, dass wir uns im Grossen und Ganzen darauf beschränken, die Bergstrasse einmal hin und einmal her zu fahren.
Auf diese Erfahrungen hin beschliessen wir, mit dem Besuch des Yellowstone NP bis nach Labor Day zu warten….

 

Sibylle und Hermann verlassen uns am Donnerstag und einen Tag später, am 31. Juli, machen wir uns auch wieder auf den Weg. Wir wären Luftlinie nur noch 70 km von der Kanadischen Grenze entfernt, aber da die Kanadier diese für «non essential travel» auch im Juli nicht aufgemacht haben, wenden wir uns wieder nach Süden, wo wir Mitte August Don und seine Freunde auf ihrem «fall trip» treffen werden.

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