Alaska, Teil 1: Nach Norden!

Alaska, Teil 1: Nach Norden!

Neue Freunde in Fairbanks

In Delta Junction haben wir mit dem historical Milepost 1422 das Ende des Alaska Highway erreicht. Doch statt des Endes ist das hier erst der Anfang – von Alaska! Wir haben noch Monate und Tausende Kilometer vor uns!

Doch schön der Reihe nach…

Beim Visitor Center in Delta Junction kommen wir das erste Mal in Berührung mit «der Pipeline», indem Abschnitte dreier Pipelines – der beiden historischen Army-Pipelines und der seit 1977 in Betrieb stehenden Alyeska-Pipeline – sowie ein «dumb pig», eine Reinigungsvorrichtung für die Pipeline ohne Sensoren (auf Deutsch «Molch» genannt), ausgestellt sind. Die 1’287 km / 800 mi lange und im Durchmesser 1.22 m / 48 in grosse Alyeska-Pipeline transportiert Rohöhl von der Prudhoe Bay im Norden nach Valdez am Golf von Alaska.
Als wir auf dem Richardson Highway Richtung Fairbanks unterweg sind, sehen wir die Pipeline das erste Mal «live» bei der grossen Tanana-Pipeline-Brücke. Durchaus ein beeindruckender Anblick.

Die weitere Fahrt nach Fairbanks ist nicht besonders spektakulär, abgesehen von einer Elchkuh, die sich von uns nicht stören lässt und friedlich Wasserpflanzen mampft.
Der Highway folgt im Weiteren dem Verlauf des breiten, viel Silt und Holz transportierenden Tanana River (ab und zu erhascht man durch den Grünen Kanal sogar einen Blick drauf), passiert die Eielson Air Force Base (Fotografieren strengstens verboten…) sowie North Pole. Natürlich nicht den echten Nordpol, der noch rund 2’700 km entfernt ist, sondern eine Ansiedlung, die 1952 diesen Namen bekam, um einen Spielzeughersteller anzuziehen (was dann offenbar nicht funktioniert hat). Das Thema wird hier mit Strassenbezeichnungen à la Santa Claus Ln oder St. Nicholas Dr und Strassenlaternen in rot-weisser Zuckerstangenform durchgezogen und das riesige Santa Claus House mit ebensolcher Santa-Statue und Rentiergehege sind beliebte Stopps und Fotomotive bei Touristen. Bei 28 °C kommen bei uns allerdings irgendwie keine Weihnachtsgefühle auf, weshalb wir schnöde vorbeifahren.

 

Eine halbe Stunde später sind wir in Fairbanks. Als erstes suchen wir den Boat Shop auf, wo wir nach Don fragen. Ozy hatte ihn vor einigen Jahren im TDR-Forum kennengelernt und er hatte uns eingeladen, ihn doch zu besuchen, wenn wir in der Gegend seien. Das war vor mehr als zwei Jahren und nun stehen wir mit klopfenden Herzen in der grossen, mit Booten, Motoren und Zubehör gefüllten Halle. Der sehr sympathische Herr hinter dem Tresen, zu dem wir auf Nachfrage gewiesen werden, fällt fast vom Stuhl, als wir uns vorstellen. Wir unterhalten uns angeregt und er zeigt uns gleich den ganzen Shop inklusive Werkstatt und erklärt uns die beeindruckenden Jagdtrophäen, die die Wände zieren. (Das ist übrigens in Alaska nicht nur bei Outdoor-Ausstattern so üblich, wir haben es auch immer wieder in «Tante-Emma-Läden» beobachten können. Jagd und Fischerei gehören in Alaska zum normalen Leben und sind überall präsent). Ganz spontan lädt er uns zum Nachtessen bei sich zuhause ein, was wir sehr gerne annehmen.

Zuerst müssen wir aber noch die Vorräte auffüllen und versuchen, eine Thermacell-Outdoor-Mückenabwehr zu bekommen. Nachdem die entsprechenden Gestelle im Walmart fast komplett leergefegt sind (warum wohl…?), werden wir im nahegelegenen Sportsman’s Warehouse zum Glück  fündig. Dann wird das Auto gewaschen (es dauert ziemlich lange, bis die dicke Dreckschicht vom Alaska Highway und unserem «Nebenstrassen-Ausflug» wieder ‚runter ist), bevor wir – nun wieder präsentabel – zu Don und seiner lieben Frau Penny fahren, die für die Pipeline-Betreiberin Alyeska arbeitet. Sie verwöhnt uns gleich mit einem feinen Znacht und wir verbringen einen schönen Abend zusammen mit ihnen und ihren Hunden Moose und Ranger. Letzterer muss wegen eines entzündeten Ohres einen Kragen tragen, was ihm von Ozy den Spitznamen «Mr. Lampshade» einbringt.

Don und Penny sind so nett, uns für das kommende Wochenende zum Bootsfahren und BBQ einzuladen und werden überhaupt unsere Basis für Zentralalaska («My house is your house. Just make yourselves at home»)! Sie sind so liebe Menschen und wir fühlen uns einfach wohl mit und bei ihnen.

Bis zum Wochenende dauert es noch ein paar Tage. In Fairbanks können wir nicht bleiben: Schon gestern wurde es recht diesig und heute ist richtig dicke Luft: Die Sonne ist kaum zu sehen und wir nehmen Rauchgeruch wahr – um Fairbanks sind zahlreiche Waldbrände aktiv! Ein Blick auf Google Maps und Windy zeigt, dass es nicht nur um Fairbanks herum, sondern fast überall in Alaska und auch im Yukon Waldbrände gibt und auch, dass die Luftqualität hier aktuell als gesundheitsgefährdend eingestuft wird. Wir hätten es auch so gemerkt… Wir treffen an der Tankstelle auf die Schweizer Reisenden Doris und Hans mit denen wir im Freien angeregt eine Weile schwatzen und dann verbringen wir in der benachbarten Laundry, deren Türen weit offen stehen, einige Zeit mit der Wäsche, worauf uns die Lunge richtig schmerzt und das Atmen immer schwerer fällt. Also nichts wie weg!

Wir verlassen Fairbanks Richtung Chena Hot Springs. Da es schon spät ist, übernachten wir auf dem Rosehip Campground (Chena River SRA) und fahren erst am nächsten Morgen zum Resort mit Campground, auf dem wir so früh am Tag problemlos einen Platz ergattern. Die Luftqualität ist hier zumindest am Boden etwas besser und das Atmen fällt wesentlich leichter. Das Resort ist im Aussenbereich sehr gepflegt und historischen Überbleibseln und wunderschönen Blumen und Pflanzen dekoriert.  Es gefällt uns sehr gut, auch wenn es recht touristisch und entsprechend frequentiert ist. Es gibt ein Eis-Museum, eigene Gewächshäuser, deren Produkte man im dazugehörigen Restaurant serviert bekommt, eine  Energiestation, diverse Aktivitäten und in der Nähe einen Schlittenhundezwinger.
Wir lassen die ganzen Aktivitäten und Touren aus und konzentrieren uns aufs «Wellnessen». Trotz Lufttemperaturen um die 30 °C geniessen wir das soaken im heissen Mineralwasser, das in einem grossen Pool gefasst wird, zu dem nur Erwachsene zutritt haben. Darüber hinaus kann man in der Umgebung wandern gehen und trifft dabei auf Biber (und theoretisch auch Elche).
Wir sind natürlich nicht die einzigen Ausländer hier und treffen am ersten Tag ein nettes deutsches Paar und am nächsten die Schweizer Reisenden Alice und Dölf, mit denen wir uns gleich gut verstehen.

 

Bald ist Freitag und wir fahren zurück zu Don und Penny, mit denen wir eine wunderschöne Zeit verbringen. Sie verwöhnen uns unter anderem mit herrlichem BBQ: best Ribeye ever!, Lachs sowie selbst gefangener Halibut und Lingcod (hatten wir vorher noch nie gehört; sooo gut!). Und sie nehmen uns zusammen mit ihrer Tochter Kayla – eine eben fertig ausgebildete und begnadete Bäckerin und Köchin – mit auf den Chena River, wo wir uns Fairbanks von unten und den Fluss bis zum Tanana River ansehen und fischen. Don fängt fast einen Hecht und lässt einen kleinen Arctic Grayling wieder ziehen, ich habe kein Glück… Am Abend machen wir einen Ausflug zum Harding Lake, wo wir einige ihrer Freunde treffen. Wir geniessen die Zeit sehr und sind dankbar, erneut so liebe Menschen getroffen zu haben.

Am nächsten Tag verabschieden uns die beiden mit vielen guten Tipps Richtung North Slope und Deadhorse und der lieben Einladung, auf dem Rückweg doch wieder vorbeizuschauen. DANKE! 😍

 

Der Dalton Highway: Ganz nach Norden

Nachdem wir unsere Dieseltanks in Fox gefüllt haben (Ozys Lieblingsort… 😉), fahren wir zunächst den kurvigen, bergigen und rumpeligen Elliot Highway, von dem aus wir bereits erste Blicke auf die Pipeline erhaschen, die uns fortan fast ständig begleiten wird (bzw. eigentlich ja wir sie…).
Beim Bau der Pipeline mussten viele Faktoren beachtet werden, von Karibu-Herdenbewegungen über Aussentemperaturschwankungen bis zu 85 °C, Erdbeben und Waldbrände sowie Permafrost. Wo dieser auftritt, wird die Pipeline oberirdisch auf Jochen geführt, die zusätzlich mit Kondensatoren und Aluminium-Radiatoren ausgestattet sind, um den Grund am Auftauen zu hindern.

Nach 134 km biegt der Elliott Highway bei Livengood nach Südwesten Richtung Minto und Manley Hot Springs ab und wir stehen vor dem offiziellen Anfang des berühmten Dalton Highway. Er wurde als Haul Road im Jahr 1974 in nur fünf Monaten für die Pipeline und die Ölfelder an der Prudhoe Bay gebaut – noch heute seine Hauptaufgabe. Von hier verläuft die Strasse, teils asphaltiert, teils als gravel road auf 666 km / 414 mi durch praktisch unbewohnte Wälder und Sümpfe, über die Brooks Range und durch die Tundra. Private Fahrzeuge wurden 1981 teilweise und erst 1994 auf der ganzen Strecke erlaubt. Es gibt einige wenige Ansiedlungen/Versorgungspunkte (am bekanntesten ist Coldfoot), teils mit Visitor Center, sowie einige einfache Campgrounds und am Ende, rund 12 km / 8 mi vom Arktischen Ozean entfernt, liegt Prudhoe Bay (bekannter unter dem Namen Deadhorse), eine Containerstadt mit allem Notwendigen zur Versorgung der dortigen Ölfelder.

Frohgemut starten wir also ins Abenteuer. Die Strasse ist insgesamt etwas besser als der Elliott Highway, obwohl wir uns immer etwas über die (im Milepost jeweils angekündigten) Abschnitte von «improved road» amüsieren – die asphaltierten Strecken sind aufgrund der Permafrost-Schäden und -Verwerfungen jeweils schlechter zu fahren als die Erd-Kiesstrasse…
Da die Luft immer noch rauchgeschwängert ist und es teils auch regnet, fahren wir immer weiter gegen Norden. Auf dem Weg statten wir dem BLM Info-Point am Yukon (mit ganzem Namen Yukon Crossing Visitor Contact Station) einen Besuch ab, wo es Infotafeln über die Pipeline und die Yukon River Bridge gibt und wir interessantes Infomaterial und – präventiv – ein hübsches Polarkreis-Zertifikat erhalten. Als wir diesen dann überqueren, machen wir natürlich das übliche Poser Pic und kommen dann ganz nahe einem der Waldbrände vorbei, der von Rangern überwacht wird (die aufsteigenden Rauchwolken sind sehr, sehr beeindruckend).
Obwohl die Strasse grundsätzlich durch den Wald führt, hat man auch immer wieder Ausblicke auf die Umgebung (im Moment durch die schlechte Sicht etwas behindert…).
Auffällig sind die Fichten, die hier (ebenso wie in Nord-Skandinavien), wo die Sonne immer relativ tief am Horizont steht (im Sommer bis zu 24 Stunden), keine «Tannenbaum-Form» aufweisen, sondern eher buschigen Telefonmasten gleichen. Auch die Temperaturen sind bemerkenswert: War es beim Yukon Visitor Center noch 28 Grad, ist es eine Stunde später (nach einem Gewitter) nur noch 15 Grad.

290 km / 180 mi nach Beginn des Dalton Highway kommen wir zum hübschen Marion Creek BLM-Campground, wo wir für nur 5 $ stehenbleiben können (mit dem NP-Pass «America the Beautiful», sonst wären es 10 $…). Da es uns hier gut gefällt, bleiben wir gleich noch einen Tag. Ozy erholt sich von der gestrigen Fahrt, während ich eine Wanderung zu den Marion Creek Falls unternehme – bewaffnet mit Bärenspray, schwerem Stock mit Eisenspitze sowie diversen DEET Mückenabwehrmitteln. Der Wasserfall entpuppt sich als mehrbessere Stromschnelle, aber einmal mehr ist der Weg das Ziel: der Trail führt durch den Borealen Nadelwald, dessen Boden mit einem dicken Moos- und Flechtenteppich bewachsen ist, und weiter oben durch mit Zwergsträuchern bewachsene Tundra. Ich geniesse es sehr, mich endlich wieder einmal bewegen zu können, bin aber als Alleinwanderin die ganze Zeit Auge und Ohr und klatsche und rufe periodisch, um etwaige Tiere auf meine Anwesenheit aufmerksam zu machen. Und ich habe Glück und treffe weder auf Bären noch auf Elche, deren frische Huf- und Kotspuren auf dem schmalen Trail zu sehen sind.  

 

Am nächsten Tag fahren wir ein kleines Stück zurück zum Arctic Interagency Visitor Center bei Coldfoot, wo man eine interessante Ausstellung besuchen und viele Unterlagen zur Natur entlang des Dalton Highway und im nahegelegenen Gates of the Arctic National Park and Preserve bekommen kann (der Park ist übrigens etwas grösser als Belgien und es gibt weder Strassen noch etablierte Trails).

Wieder auf dem Weg nach Norden geniessen wir die Landschaft und das Wetter – der Wind hat gedreht und die Luft ist endlich wieder klar. Die Strasse führt uns durch die Brooks Range (Continental Divide) und über den Atigun Pass, der höchste Pass in Alaska. Er ist nur 1’444 m / 4’739 ft hoch, aber da die Baumgrenze so weit nördlich nur auf etwa 800 m liegt, bekommt man den Eindruck, viel weiter oben zu sein… Wir fahren weiter durch eine alpine Landschaft voller Bäche, Tümpel und Arktischer Ziesel, die immer wieder über die Strasse speeden, bis zum Galbraith Lake BLM Campground. Um zum Platz zu kommen, muss man die Piste des Galbraith Lake Flugfeldes überqueren, wobei letzteres hier durchaus wörtlich zu nehmen ist. Der gratis-Campground besteht aus einer Ansammlung von Stellplätzen zwischen Zwergbüschen auf dem Schuttfächer des Camp Creek und einem Plumpsklo. Es hat hier ordentlich Moskitos und Schnaken, aber dafür wird man mit einer schönen Aussicht auf das weite, mit Tundra bedeckte Tal, den Galbraith Lake, Aufeis vom Camp Creek und die Pipeline Pumpstation No. 4 belohnt. Letztere weist offenbar einen Telefonmast auf, von dem wir hier mit unserem Booster gerade noch profitieren können.

 

Nach zwei Nächten auf dem Campground geht es auf die letzte Etappe Richtung Norden. Zuerst müssen wir gefühlt stundenlang einem dahinkriechenden Pilot Car durch eine 24 km / 15 mi lange Baustelle folgen und einen letzten Hügelkamm überwinden und dann liegt sie da: die immense Küstenebene. Tundra und Permafrost-Phänomene wie z.B. Frost Mounds, Pingos, Frostmusterböden oder Thermokarste soweit das Auge reicht. Als wir im Flachland sind, sorgt die Kombination von kalter Luft und warmer Sonne, die die Luftschichten über der Tundra aufheizt, für spannende Spiegelungen.
Nach 618 km / 348 mi wird der Highway nun plötzlich super: Neu asphaltiert, glatt und mit zahllosen, eng zusammenstehenden Markierungspfosten versehen (braucht man hier im Winter bei Schneetreiben…). Die Strasse liegt auf einem hohen Damm und ist mit Styroporblöcken gegen unten isoliert, wodurch man hofft, Permafrostschäden wie an den anderen asphaltierten Stellen zu vermeiden.

Wir übernachten rund 20 Meilen vor Deadhorse am Sagavanirktok River (die Einheimischen nennen ihn einfach Sag River) und erfreuen uns an der Mitternachtssonne. Am nächsten Morgen (nicht allzu früh…) geht es ins nahegelegene Deadhorse (offiziell Prudhoe Bay). Zunächst machen wir eine Rundfahrt durch den Ort am Colleen Lake, der aus Containerwohngebäuden und einigen wenigen Containerhotels sowie Versorgungs- und Reparaturbetrieben für die Ölförderung besteht. Hier wohnen nur Angestellte der Öl- und Versorgungsfirmen, die jeweils drei bis vier Wochen vor Ort sind und dann entsprechend lange frei haben. Natürlich gehört auch der Besuch des Prudhoe Bay General Store dazu, wo man vor allem Arbeitskleidung und Werkzeuge, aber auch das eine oder andere Souvenir bekommt. Angesichts eines Dieselpreises von 8.63 USD/gal (gegenüber dem auch teuren Fairbanks mit rund 6 USD/gal) sind wir froh, dass wir hier nicht tanken müssen…
Wir sichten mitten im Ort unsere ersten Karibous, die vor den Moskitos bis ganz an die Küste geflüchtet sind und sich friedlich zwischen dem ganzen Equipment tummeln, sowie zahlreiche Enten, Gänse und Trompeterschwäne, die ihre Jungen in den zahllosen Tümpeln und Marschen aufziehen.
An den Arktischen Ozean (Beaufortsee) kommt man aufgrund der Ölfelder nur mit dem vom Deadhorse Camp angebotenen Arctic Ocean Shuttle, wofür man aus «Sicherheitsgründen» mindestens 24 Stunden vorher buchen muss (witzigerweise müssen sie dann einige Daten kurz vor Abfahrt noch eingeben und überprüfen lassen, da das von ihnen benutzte Standard-Formular weder Mittelnamen noch Geburtsdatum abfragt…). Da wir die Buchung vom Galbraith Lake Campground aus vornehmen konnten, können wir gleich am Nachmittag auf die Tour.
Wir haben Glück und das Wetter ist einigermassen schön, auch wenn es immer kälter wird, je näher wir der Prudhoe Bay kommen. Auf dem Weg sehen wir wieder einige Karibus und Wasservögel und bekommen viel Interessantes über das Leben in Deadhorse erzählt. Am alten East Dock werden wir «losgelassen» und können je nach Disposition komplett, mit den Füssen oder gar nicht in den Arktischen Ozean eintauchen. Das Wasser in der flachen Bucht wäre gar nicht mal so kalt, aber der Wind… Wir schaffen es immerhin, ein Stück hineinzuwaten, bevor wir uns dankbar wieder in den geheizten Van setzen. Nun sind wir auch Mitglieder im «Arctic Polar Bear Club», was wir nach der Rückkehr per Zertifikat bescheinigt bekommen.

Auf dem Rückweg zum schönen Übernachtungsplatz am Fluss können unsere ersten Moschusochsen beobachten. Sie sehen einfach toll aus mit ihrer langen Behaarung und den elegant geschwungenen Hörnern, sind aber viel kleiner als erwartet (so ähnlich wie die Karibus bzw. Rentiere, die ich mir auch immer grösser vorgestellt hatte…).

 

Und nun geht es wieder rund 760 km / 475 mi zurück nach Fairbanks…

Abgesehen von dickem Nebel am Abfahrtsmorgen ist das Wetter insgesamt besser und wir geniessen die beeindruckende Landschaft. Wir haben das Gefühl, den Pflanzen regelrecht beim Wachsen zusehen zu können. Im Vergleich zur Hinfahrt vor wenigen Tagen ist das Fireweed (Schmalblättriges Weidenröschen) voll aufgegangen und schmückt bereits die Hänge in grösserer Höhe (Alaska-Weisheit: «Wenn es bis oben blüht, ist der Sommer vorbei»…). Wir übernachten dieses Mal auf dem Atigun Pass, wo wir die Schweizer Cécile und Hans mit ihrem Mercedes Sprinter treffen und uns lange und angeregt unterhalten.
Auch dieses Mal machen wir wieder auf dem Marion Creek Campground halt, wo ich nochmals zu den Wasserfällen wandere und nun mit den ersten Cloudberries (Moltebeeren) belohnt werde – meine Lieblingsbeeren!!!

Während wir im Norden waren, hat es offenbar ordentlich geregnet und statt Qualm sehen wir nun verbrannte Waldstücke, in denen aus dem duff (humusartiger Waldboden) weisse Rauch- und Dampfwolken aufsteigen. Die Kombination verbranntem, nicht ganz verbranntem und unverbranntem Boden und Bäumen ergibt bei Sonnenschein und blauem Himmel eine unglaublich schöne Farbkombination. Obwohl es für uns traurig ist, Bäume zu sehen, deren Stämme wie Zahnstocher aus den am meisten betroffenen Flächen ragen, sind die Brände nötig fürs Ökosystem. Sie schaffen offene Flächen, auf denen Gräser, Blumen, Büsche und Beeren wachsen können, die wiederum eine wichtige Nahrungsgrundlage für eine Vielzahl von Insekten, Vögeln und Säugetieren bilden. (Interessante Zusammenstellung über die Ursachen der Brände und Entwicklung der fire season: https://uaf-iarc.org/alaskas-changing-wildfire-environment/).
Vom Gobblers Knob (einem der von den frühen Truckern „Rollercoaster Hills“ benannten Hügel) haben wir nun eine schöne Aussicht auf die Umgebung, beim Arctic Circle können wir ein Sonnen-Foto machen und auch beim Finger Mountain, der direkt nach Fairbanks zeigt und ein wichtiger Orientierungspunkt für die Buschpiloten war, erhaschen wir noch etwas blauen Himmel. Allerdings weht ein sehr frischer Wind und das Thermometer zeigt nur noch 12 °C. Also weiter nach Süden!

In der Nähe des Yukon River ist es dann auch tatsächlich wieder wärmer (17 °C). Eigentlich wollten wir ja auf dem gratis Five Mile BLM-Campground übernachten, doch entpuppt sich dieser als grosser Kiesplatz ohne jeden Charme, weshalb wir nur am Artesischen Brunnen Wasser fassen und weiterfahren. Wir überqueren erneut den Yukon River und erreichen eine Stunde später das Ende des Dalton Highway.

Was nun?

Wir lieben ja heisse Quellen und biegen deshalb auf den Elliott Highway (AK-2) Richtung 122 km/76 mi entferntes Manley Hot Springs ab, nachdem ich noch ausgiebig den ganzen Schilderwald am Anfang des Dalton Highway fotografiert habe.
Besonders der erste Teil des Elliott ist sehr schön, führt er doch entlang von Graten, über baumlose Hochflächen und den Ptarmigan Pass (= Schneehuhn-Pass), von wo man herrliche Ausblicke auf die grün-blaue Wildnis Alaskas hat. Der zweite Teil ist dann leider nicht so toll: einerseits ist die Strasse hinter der Abzweigung nach Minto recht schlecht, andererseits tauchen wir wieder in den «grünen Kanal» ab. Nur der Gedanke an ein Bad in den heissen Quellen hält uns noch aufrecht und wir fahren tapfer weiter bis nach Manley, wo wir um halb sieben Uhr abends endlich eintreffen. Aber wir haben uns vergeblich gefreut: Das Manley Roadhouse ist zu, ebenso wie das Gewächshaus, in dem die heissen Quellen liegen. Es gäbe einzig noch das «Manley Hot Springs Resort», wo man für einen ordentlichen Preis (zeitbegrenzt!) baden könnte, wie uns ein freundlicher Anwohner informiert. Es sei auch noch nicht voll einsatzfähig und man müsse anrufen, um einen Termin zu vereinbaren. Wir haben hier kein Netz, sind müde und das ist uns alles zu kompliziert. Vielleicht können wir ja auf dem kleinen Campground mitten im Dorf bleiben, der direkt am Hot Springs Slough liegt? Leider nein, denn er ist schon von den Mücken besetzt…
Also noch schnell die Strasse bis ganz zum Ende am Tanana River gefahren und dann gewendet, um uns einen windigen, möglichst mückenfreien Schlafplatz in der Höhe zu suchen. Nicht weit weg vom Dorf bekommt Ozy plötzlich einen nachdenklichen Ausdruck – und überfährt fast eine Bärin mit Jungen, die plötzlich aus einem Gebüsch auf die Strasse rennen!

Nachdem wir uns vom Schreck erholt haben, teilt er mir mit, dass er ein ungewöhnliches Geräusch vernimmt und vermutlich der Turbo auf dem Weg ist, den Geist aufzugeben… Na toll!
Er fährt turboschonend weiter, bis wir in der Höhe entlang der Strasse einen Platz zum Schlafen finden, und stellt dann fest, dass wie von ihm vermutet tatsächlich der Turbo Spiel hat. Oh well, nach über 375’000 km war das vermutlich irgendwann zu erwarten… Ich bin nur froh, dass er es frühzeitig bemerkt hat und uns das Ding nicht irgendwo in der Wildnis auf dem Dalton Highway um die Ohren geflogen ist!

There and back again: Fairbanks – Chena Hot Springs – und nochmals von vorn

Am nächsten Tag fahren wir ganz vorsichtig Richtung Fairbanks. Auf dem Walmart.-Parkplatz treffen wir das italienischen Paar Simone und Lucia (Stepsover) wieder, das wir im Januar auf dem Jetty Park Campground bei Port Canaveral in Florida kennengelernt hatten. Dann geht es wieder mal zur Autowäsche, bevor wir wieder bei unseren lieben Freunden Penny und Don bleiben können. Gerade jetzt mit dem Turbo-Problem sind wir besonders dankbar für ihre Gastfreundschaft.

Ozy kontaktiert Geno’s Garage und kann einen neuen Turbo und einen Auspuffkrümmer, den er auch gleich ersetzen will, zu Don schicken lassen. Robin von Geno’s macht es möglich und sendet die Teile mit two-day air shipping (und zu einem vernünftigen Preis!), so dass wir sie bereits am Dienstag haben sollten. – Super!!!

In der Zwischenzeit nehmen uns Penny und Don mit zum Schiessen und Ozy und ich besuchen in Fairbanks die gerade stattfindenden World Eskimo-Indian Olympics WEIO (www.weio.org; man beachte den von den First Nations/Native Americans/Iñupiat/Athabascans/etc. selbst gewählten Namen). Die Wettkämpfe finden über vier Tage statt und beinhalten Sportarten wie z.B. Stick Pull, Drop the Bomb, diverse Kicks, Blanket Toss, Ear Weight oder Greased Pole Walk, die die körperliche Geschicklichkeit, Kraft und Schmerzresistenz der Teilnehmer testen. Ausserdem gibt es Wettbewerbe im Robben-Häuten und Fisch-Zerlegen, ein Maktak-Wettessen oder die Festkleidungs-Bewertung (regalia contest). Um die Arena herum verkaufen diverse Künstlerinnen und Künstler ihre Produkte und es gibt (leider nur) einen Foodtruck. Wir besuchen die Spiele am Samstagmorgen, wo wir den neuen Weltrekord der Damen im Swing Kick miterleben sowie einem Teil des One Foot High Kick zusehen. Bei beiden Sportarten muss ein Stoffball getroffen werden, der immer höher gehängt wird, einmal vom Boden aus mit beiden Füssen und nur auf den Händen abgestützt, das andere Mal auf einem Bein hüpfend (dessen Fuss dann den Ball treffen muss). Mitmachen kann jeder Stammesangehörige, es gibt keine Altersgrenzen. Die Stimmung ist ausgelassen, der Ablauf des jeweiligen Wettbewerbs für uns aufgrund der gleichzeitig an vier Stationen Wettkämpfenden und des nur sehr sporadischen Kommentars allerdings schwer nachzuvollziehen. Auch das Programm scheint eher eine grobe Richtlinie zu sein, weshalb wir uns dann vor dem Head Pull (von dem niemand weiss, wann er nun stattfinden soll und wo genau) wieder auf den Weg zu unseren Freunden machen, mit denen wir zum Abendessen ins Pagoda fahren, ein sehr gutes, chinesisches Restaurant im «nahegelegenen» North Pole (besonders der Pu-Pu-Teller, ein Assortiment verschiedener Speisen, ist der Hammer!).

Unsere Freunde Sibylle und Hermann (d-hai.ch), die wir seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen haben, sind gerade in Fairbanks angekommen und Penny und Don laden sie spontan auch gleich mit ein. Don und Penny verwöhnen uns mit wunderbaren Hamburgern vom Grill und wir verbringen einen ausgelassenen, gemütlichen und (zumindest für uns Nicht-Arbeiten-Müssende) langen Abend am Feuer.

 

Am nächsten Tag fahren Sibylle, Hermann und wir (wieder) zu den Chena Hot Springs, wo wir die nächsten drei Tage bleiben werden. Hermann verwöhnt uns mit Spargelrisotto mit Bratwürsten bzw. Zürcher Geschnetzeltes mit Rösti und wir gehen immer wieder mal in den grossen Pool entspannen. Indirekt bekommen wir mit, dass das heisse Wasser auch Todesopfer aufgrund von Kreislaufversagen fordern kann: an einem Nachmittag tauchen ein Krankenwagen sowie ein State Trooper-Fahrzeug auf. Am Abend ist der Pool aber schon wieder geöffnet: «These things happen», teilt uns der Angestellte hinter der Kasse unerschüttert mit.

Inzwischen sind auch Doris und Beat aus Ennetbaden dazugestossen, die Sibylle und Hermann in Tok kennengelernt hatten. Als Abschluss gehen wir alle zusammen ins Chena Hot Springs Restaurant essen und verbringen einen angeregten Abend zu sechst.

Am Donnerstag sind wir wieder in unserer «Home Base» bei Penny und Don, wo Turbo und Auspuffkrümmer bereits auf Ozy warten. Am nächsten Tag baut er beides ein, was sich als Rücken- und Fingerbrechende Arbeit herausstellt. Aber er schafft es und der erste kurze Testlauf ist schon sehr vielversprechend: Der Turbo läuft und der Auspuffkrümmer pfeift endlich nicht mehr! Jetzt ist unser Dihei wieder fit für die Weiterreise!

Unsere Freunde laden uns ein, noch bis zum Sonntag bei ihnen zu bleiben, damit wir ihre Familie kennenlernen können: Pennys Mutter Susan kommt zu Besuch, die aus Cordova, AK stammt, aber die meiste Zeit in Kalifornien lebt.
Am Samstag machen Ozy und ich einen Ausflug nach Fairbanks, wo an diesem Wochenende die Golden Days stattfinden. Ozy und ich ergattern uns einen Platz an der Paraderoute und harren der Dinge, die da kommen werden. Wir hatten uns anlässlich dieses jährlich stattfindenden Festivals, das die Gründung von Fairbanks feiert, eine Art «Oldtimer-Parade» vorgestellt, doch entpuppt sich die grösste Parade Alaskas als alles andere: von einzelnen, für Politiker werbenden Menschen und Gruppen über Schulen, Mädchen- und Buben-Pfadi, Militär, Army Corps of Engineers, Polizei und verschiedene Feuerwehren, diverse Uni-Institute, Kirchen, die Martial Arts Academy, Theatervereinen etc. bis hin zu einem Minenbetreiber mit einem Sandvik LH517 Untertage-Minenbagger ist alles dabei!
Kurz bevor die Parade ganz durch ist, schlendern wir noch etwas über den Markt, an dem viele Kunstgegenstände feilgeboten werden (mit hat es vor allem die Glaskunst mit eingepressten Blüten angetan, aber die können wir leider nicht mitnehmen…), bevor wir ordentlich müde wieder zu unseren Freunden fahren.
Am nächsten Abend gibt es wieder ein tolles BBQ und wir dürfen neben Pennys lieber Mutter Susan, einer Athabasca, Pennys Schwester Mary mit ihrem Mann Gary sowie Freund Sam mit Hund Nicholas kennenlernen. Tochter Kayla ist auch dabei und wir erleben einen fröhlichen Abend in geselliger Runde. Susan und Mary sind Athabasca-Künstlerinnen und ich bewundere ihre in traditioneller Handarbeit aus Perlen gefertigten Haarornamente und Ohrringe.  

Nach diesem schönen Abend geht es am nächsten Tag – NOCHMALS zu den Chena Hot Springs. Ozy hatte sich das gewünscht, weil ihm vom verkrümmten Arbeiten im Motorraum alles weh tut. Das Auto kennt den Weg inzwischen schon und bald sind wir wieder im Resort, wo wir uns zur Feier des neuen Turbos eine Massage gönnen und wir meinen Geburtstag bewacht von einem riesigen Bison-Kopf im Restaurant feiern.

 

 

Als nächstes geht es nun endgültig Richtung Südküste. Was wir dort alles sehen und erleben, steht dann im nächsten Blog…

 

 

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