Rockies, Prärie und der Alaska Highway – von Coutts nach Delta Junction

Rockies, Prärie und der Alaska Highway – von Coutts nach Delta Junction

Nun stehen wir also nach mehr als zwei Jahren Wartezeit am 11. Juni vor der kanadischen Grenze!
Wir haben uns ganz seriös vorbereitet: Geduscht und rasiert (Ozy), anständige Kleidung, Adresse eines (theoretisch) erreichbaren Campgrounds und ungefähre Reiseroute parat, keine frischen Früchte, kein Frischfleisch, keine frischen Eier (im Moment streng verboten wegen grassierender Vogelgrippe) und Screenshot unserer ArriveCAN-Quittung auf dem Smartphone (man muss eine App installieren und seine Daten, insbesondere den Covid-Impfausweis, jedes Mal (!) hochladen, wenn man über die Grenze will…).

Mit klopfendem Herzen nähern wir uns dem Grenzposten zwischen Sweet Grass, MT und Coutts, AB.
Der Zöllner ist nicht unfreundlich, will aber ganz genau wissen, was wir dabeihaben. Ozy beginnt etwas zu schwitzen: «Das, was erlaubt ist». Darauf grinst der Beamte (ein bisschen fies, wie ich finde): «Jaaaaa….?». Ozy schwitzt noch mehr und fängt an, aufzuzählen…
Die Zigaretten und Lebensmittel sind kein Problem. Nur beim Alkohol kommt die Grenze zwischen unser Leben: Während der letzten drei Jahre hat sich die Hausbar ein bisschen vergrössert, vor allem in Tennessee und Kentucky… Nur wissen wir selber nicht genau, wie viel wir haben, denn alle Flaschen sind ja in Gebrauch, und das teils seit Jahren… Ozy bleibt vage und wir haben Glück: der Beamte bohrt weder nach noch möchte er hinten kontrollieren. Nach der letzten und von uns verneinten Frage nach CBD lässt er uns dann endlich gehen.

Frohen Herzens und sehr erleichtert starten wir auf die AB-4 durch die Prärie Albertas Richtung Norden. Alaska, wir kommen!

Ein kleiner Tank-Umweg führt uns nach Taber und dann nach Lethbridge (mit kleinem Einkauf), bevor wir Richtung Rocky Mountains abbiegen. Der Crowsnest Highway (AB-3) beginnt bald anzusteigen. Er führt uns hinein in die Berge und mitten durch die Frank Slide, einen der grössten Bergstürze in Kanada (mit 44 Mio. m3 wenig grösser als der Bergsturz von Goldau). Kurz vor dem Pass finden wir im Hinterland von Coleman ein Plätzchen im Wald (es ist Samstag und zumindest am Wochenende ein sehr beliebter Platz zum Campen und ATV-Fahren, wie wir feststellen).

 

Am nächsten Tag geht es über den 1.358 m hohen Crowsnest Pass, zugleich südlichster Pass der kanadischen Rockies, Continental Divide und Grenze zwischen Alberta und British Columbia.
Die AB-3 führt uns danach entlang des Michel Creek nach Sparwood und ins Elk Valley. Dieser Distrikt liefert mehr als 80 % aller aus Kanada exportierten metallurgischen Kohle. Da die riesige Grube von Teck Resources «von unten» gar nicht sichtbar ist, hätten wir es vermutlich gar nicht mitbekommen, hätte nicht der leuchtendgrüne und unübersehbare Terex 33-19 „Titan“ neben der Strasse gestanden.
Ozy muss das Monstrum, das 25 Jahre lang der grösste Lastwagen der Welt war und der einzige seiner Art ist, natürlich genau unter die Lupe nehmen. Ganz nebenbei lernen wir auch einiges über die Geschichte des Kohleabbaus im Elk Valley.
Es gäbe auch Mining Tours, aber nur drei Mal die Woche und natürlich nicht am Wochenende, weshalb wir Sparwood auf unsere Liste der «Nochmals Besuchen-Orte» setzen, bevor wir dem Elk River ins weite Tal des Kootenay folgen, das bei Canal Flats zum Tal des Columbia River wird (die beiden Flüsse verpassen sich nur um 1.9 km; der Kootenay fliesst nach Süden, der Columbia River nach Norden).

Bei Radium Hot Springs biegen wir auf den Banff-Windermere Parkway (Kootenay Highway / BC-93) ab, der uns durch den schönen Sinclair Canyon zum Bad führt, das uns bereits 2015 sehr gut gefallen hatte. Wir erholen uns wieder im heissen Mineralwasser, während wir die Dickhornschafe beobachten, die an der gegenüberliegenden Felswand herumturnen (NB: Die Quellen liegen im Kootenay NP und werden vom Park Service betrieben. Man bräuchte aber keinen Park Pass nur für das Bad oder um auf der BC-93 nonstop durch den Park zu fahren). Wir sind tiefenentspannt als wir einige Zeit später auf dem Highway weiterfahren, nur um einen Adrenalinstoss zu bekommen, als ein Fuchs beim Verfolgen seiner Beute direkt vor uns über die vierspurige Strasse rennt. Zum Glück kann der Gegenverkehr rechtzeitig bremsen, denn sowohl Beute als auch Jäger sind anderweitig beschäftigt…

Bald danach biegen wir auf die ungeteerte Settler’s Road ab, wo wir ausserhalb der Nationalparkgrenze eine schöne Waldlichtung zum Übernachten finden.
Die Rückfahrt auf die Hauptstrasse ist am folgenden (Montag) Morgen wesentlich weniger entspannt, da in dieser Gegend Kiesgruben liegen und der Lastwagenverkehr beachtlich ist.

Bei durchzogenem Wetter folgen wir dem Highway 93 im Zickzack durch die Rockies, von einem Nationalpark in den anderen (eine grosse Fläche der westlichen Rocky Mountains-Kette wird hier durch die Kootenay, Banff und Jasper sowie Yoho Nationalparks und zwei weitere Stateparks geschützt).
Nach Lake Louise, das wir buchstäblich links liegen lassen, führt die 93 als Icefields Parkway durch einen besonders schönen (und hohen) Teil der Rockies. Das Wetter hat sich zum Glück ein bisschen gebessert, so dass wir immer wieder ein paar Berge und auch die Athabasca und Dome Gletscher zu sehen bekommen, die vom Columbia Icefield herabfliessen. 2015 waren wir schon zur Gletscherzunge gegangen (auch bei bescheidenem Wetter), weshalb wir dieses Mal darauf verzichten. Dafür gehen wir nochmals die Athabasca Falls anschauen, die uns damals gut gefallen hatten.  Auf dem Weg dorthin begegnen wir einem Reh sowie Dickhornschafen und Schneeziegen, die jetzt im Frühsommer buchstäblich gerupft aussehen (auf den Fotos sieht man sie immer nur im fluffigen, schneeweissen Winterkleid, das sie bei Temperaturen bis zu -46 °C warm hält). Und die «Safari of the big five» ist fast komplett, als wir dann noch einen braunen Schwarzbären und zwei Elk (Wapiti) beobachten können.

 

Voller schöner Eindrücke kommen wir zum NP-eigenen Whistler Campground südlich von Jasper, wo Ozys Bitte «so nahe wie möglich beim Dusche/WC-Gebäude» prompt entsprochen wird (zum Glück war der Campground ziemlich leer… 😉 ). Aufgrund des schlechten Wetters (und des Preises) verzichten wir auf die Seilbahnfahrt auf den Whistlers Peak und fahren am nächsten Tag bereits weiter. Dabei passieren wir auf dem Campground einen mit Gummischrot bewaffneten Ranger, der einen der zu kecken Schwarzbären vergrämen will und eine ganze Herde Elks mit Jungtieren (keine Fotos, da Ozy nicht in der Stimmung ist zu halten…).

Es geht vorbei an sogar bei trüber Stimmung leuchtend blauen Seen und bald gelangen wir nach Hinton, das am östlichen Rand der Rocky Mountains gelegen ist, und wo wir unsere Vorräte wieder aufstocken können. Von hier aus folgt die AB-40 bis Grande Cache dem Fuss der Rockies und biegt dann nach Norden Richtung Grande Prairie ab. Die Strasse wird mit einem grossen Schild als «Scenic Route to Alaska» angekündigt, aber wir müssen gestehen, dass wir die Strasse nicht übermässig scenic finden. Natürlich helfen schwarze Wolken und Regen nicht und von den letzten zwei Tagen Fahrt durch die Rockies sind wir auch verwöhnt… Vermutlich ist die Strasse einfach malerischer als die weiter östlich liegende AB-43…
Es gibt jedenfalls viel Wald, den einen oder anderen Berg, eine Kohlemine und ein Kohlekraftwerk, zahlreiche Holzstapelplätze und Sägereien sowie sehr viele Holz-, Kies- und Baracken-Transporte zu «bewundern».

Die Suche nach einem geeigneten Übernachtungsplatz gestaltet sich dann leider überaus schwierig. Die iOverlander-Plätze südlich von Grande Prairie liegen entweder auf aktiven Firmengeländen (Holz- und Kiesgewinnung) oder werden von der lokalen was-auch-immer-Szene frequentiert. Sehr müde und ziemlich frustriert fahren wir weiter bis zum Saskatoon Island Provincial Park, der sich dafür als kleines Juwel entpuppt. Wir sehen gleich beim Ankommen ein Reh, die freundliche Dame im Büro gibt uns einen schönen Platz (auch nicht so weit, aber weit genug vom Klo 😉 ) und es gibt sogar wieder einmal einen (sehr farbigen) Sonnenuntergang!
Wir merken, dass wir eine Pause brauchen und bleiben gleich zwei Nächte. Ich kann während des Ruhetags ein paar Trails laufen (teils mit begeisterter Mücken-Anhängerschaft…) und Ozy am Abend mit seiner Leibspeise, Schweinssteak «Lucullus», bekochen. Da ist die Welt wieder in Ordnung!

 

Am nächsten Tag geht es vorbei an Beaverlodge (mit Biber-Statue) nach Dawson Creek, BC. Hier beginnt der «World Famous Alaska Highway», auch ALCAN genannt, wie auf einer grossen Tafel angekündigt wird. (Im Visitor Center in Watson Lake lernen wir dann ganz viel über die Geschichte des ALCAN , der nach der japanischen Attacke auf Pearl Harbor in Rekordzeit geplant und gebaut wurde – 6. Februar 1942 bewilligt, 9. März Baubeginn, 28. Oktober fertiggestellt und am 21. November offiziell eingeweiht – und auch über deren Erbauer, die unter Extrembedigungen in dieser kurzen Zeit einen rund 2.700 km langen Weg durch Sümpfe, Permafrost und über Berge gebahnt haben).
Der Alaska Highway führt von Dawson Creek, BC über Fort Nelson, BC, Watson Lake, YT, Whitehorse, YT und Haines Junction, YT zur Grenze hinter Beaver Creek, YT und dann in Alaska über Tok nach Delta Junction, wo er an der Kreuzung mit dem Richardson Highway beim Historic Milepost 1422 offiziell endet (aufgrund von Begradigungen wird die Strasse immer kürzer: bei Fertigstellung 1942 war sie rund 1.700 mi / 2.700 km, bei Übergabe an Kanada und die Öffentlichkeit 1948 1.442 mi / 2.321 km, 2012 1.387 mi / 2.232 km und aktuell nach Google Maps «nur» noch 1.365 mi / 2.197 km lang).

Wir fahren frohgemut durch einen mehr oder weniger breiten grünen Tunnel aus Erlen, Pappeln, Birken und Fichten, der durch Blumen am Strassenrand farbige Tupfer bekommt und in der Umgebung von Dawson Creek noch durch den einen oder anderen holzverarbeitenden Betrieb mit grossem Lagerplatz unterbrochen wird.
Wir sind nicht ganz die einzigen hier und treffen immer wieder auf freiwillige und unfreiwillige Karawanen von RVs und Trailern, die wie wir auf dem Weg nach Norden sind.
Leider hält das Wetter nicht mit unserer Laune mit, sondern verschlechtert sich zusehends. Die Wolken werden immer dichter, gleichzeitig wird es immer kälter, bis das Thermometer nur noch 10 °C anzeigt.
Ozy ist wieder einmal nach Einsamkeit zumute, weshalb er einen iOverlander-Platz auf dem Pink Mountain rund 25 km von der Strasse ausgesucht hat (nicht zuletzt hofft er, dort auch vor den Mücken sicher zu sein). Wir lernen schnell, dass Ausflüge von der geteerten Strasse weg bei diesen Böden und Regenwetter extrem mühsam bis gefährlich sein können… Die Erdpiste ist schlammig bis seifig und nach einigen langsamen Kilometern, bei denen wir teils quer zur Fahrtrichtung zu stehen kommen, geben wir das Unterfangen auf.
Mit einem sehr viel dreckigeren Auto kommen wir wieder gut auf die Asphaltstrasse zurück und fahren erst mal weiter… In Fort Nelson besorge ich mir im Visitor Center den berühmten Milepost, «seit 1949 die Bibel des Nordland-Reisens». Diese Behauptung ist nicht übertrieben, denn ausser dem Alaska Highway sind auch alle (!) anderen Routen drin, vom westlichen Alberta und BC bis zu den Northwest Territories und Alaska. Und das mit minutiöser Beschreibung selbst kleinster Ausstellplätze und zusätzlich vielen interessanten «Nebeninformationen» zur Geschichte und Naturgegebenheiten, zum Fischen und weiteren Attraktionen. (Das nächste, das ich mir kaufe, sind verschiedenfarbige Leuchtstifte, um der Fülle an Informationen einigermassen Herr zu werden…).

Östlich von Fort Nelson finden wir dann in der Muskwa River State Recreation Site in einiger Entfernung von der Strasse noch einen schönen Standplatz am gleichnamigen Fluss, auch wenn wir hier erwartungsgemäss von den Moskitos freudig begrüsst werden… (aber zum Glück immer noch kein Vergleich zu Labrador). Am Abend scheint sogar noch die Sonne und wir geniessen von drinnen die schöne Aussicht…

 

Am Morgen sind die Wolken und der Regen zurück, was die Fahrt über den 1.295 m hohen Summit Pass und entlang des eigentlich blau leuchtenden Muncho Lake nicht so besonders schön macht. Aber dafür habe ich ja die detaillierten Beschreibungen im «Milepost», was man alles sehen würde, weather permitting… :-/

Langweilig wird es uns jedenfalls trotzdem nicht: zahlreiche Baustellen, sehr staubige Strassenabschnitte und ein auf unserer Spur überholender LKW sorgen immer wieder mal für Spannung.

Schliesslich bessert sich das Wetter dann doch noch, so dass wir die zahlreichen Flusstäler, deren Sohle nur aus Kiesbänken und dazwischen verlaufenden Flussarmen besteht, und die wilde Landschaft immer mehr geniessen können. Und kaum scheint die Sonne, wird auch die Temperatur richtig freundlich: statt der gestrigen 10 ist es nun plötzlich 21 °C warm!

Und nicht zuletzt werden wir auf diesem Abschnitt mit Wildsichtungen verwöhnt: Zuerst mehrere Stone Sheep (eine vor allem in BC vorkommende Subspezies des Dall- oder Alaska-Schneeschafs), dann Waldbison und schliesslich so viele entlang der Strasse grasende Schwarzbären, dass wir irgendwann aufhören zu zählen!  

Auf dem Weg passieren wir die berühmten Liard Hot Springs, die wir aber vorerst mal auslassen (Ozy hat kein gutes Gefühl die Moskitos betreffend…), dafür mache ich einen Ausflug zum Whirlpool Canyon, wo sich der durch die Schneeschmelze angeschwollene Liard River den Weg um eine Insel bahnt. Dazu kommen ein paar Poser Pics an den jeweiligen «Welcome to the Yukon» bzw. «Welcome to British Columbia», bevor wir in Watson Lake eintreffen. Hier besuchen wir das (wie erwähnt sehr interessante) Visitor Center, gucken uns den buchstäblichen Schilderwald an, statten dem Northern Lights Center einen besuch ab (herzige, «selbstgebastelte» Ausstellung, schöner, wenn auch eher älterer Film über die Nordlichter in einem Planetarium, das sonst leider ausser Betrieb ist) und runden den Tag mit einem leider nicht sehr guten chinesischen Essen ab (wir hätten von Neufundland her gewarnt sein sollen, aber im Visitor Center wurde uns das Restaurant empfohlen. Vermutlich aber nur für die ebenfalls angebotene westliche Küche…). Wir dürfen über Nacht vor dem Visitor Center stehen bleiben, was wir gerne annehmen, da es auf dem offenen Platz weniger Mücken hat.

 

Eigentlich wollten wir von hier aus auf den Dempster Highway, der uns ganz nach Norden gebracht hätte. Im Visitor Center rät man uns aber ab davon: aufgrund der Schneeschmelze sei die Strasse in einem schlechten Zustand, die Fähren wegen des Hochwassers möglicherweise nicht in Betrieb und überhaupt sei es im Herbst viel schöner dort oben. Wir folgen dem Rat und entscheiden uns dafür, die südliche Route über Beaver Creek nach Tok zu fahren. Nicht zuletzt, weil wir so unsere Freunde Pat und Harvey treffen können, die wir im Winter 2019/20 in Loreto, Baja California Sur kennengelernt hatten, und die auf dem Heimweg von Alaska sind.

Am nächsten Tag ist es immer noch schön und wir geniessen die Weitefahrt auf dem Alaska Highway, der uns an schneebedeckten Bergen, moorbraunen Bächen und ausgedehnten Strömen vorbeiführt.
Dass es letzten Winter besonders viel Schnee gab und die Schneeschmelze in vollem Gange ist, macht sich auch hier bemerkbar: am Teslin Lake versuchen die Anwohner, die seenahen Häuser mit Wällen aus Sandsäcken vor dem Hochwasser zu schützen (die Sperrung der Brücke steht auch schon im Raum). Leider ist deswegen (?) auch das Tlingit Heritage Center geschlossen.

In Whitehorse stoppen wir nur kurz um zu tanken und einzukaufen und fahren dann weiter zum Fox Lake Campground, den sich Ozy ausgesucht hat. Der Platz ist wirklich sehr schön und wir geniessen das Sonnenlicht und die spezielle Stimmung nachts um elf. Das Einzige, was uns etwas stört, sind die Raben, der Staatsvogel des Yukon Territory, die ständig sehr laut rufen.

 

Zwei Tage später machen wir uns zum Pine Lake Territorial Campground bei Haines Junction auf, wo wir mit Pat und Harvey abgemacht haben. Es gibt ein freudiges Wiedersehen, nachdem wir uns aufgrund von Covid mehr als zwei Jahre nicht mehr treffen konnten! Wir erzählen, schwatzen und lachen zusammen und haben einfach wieder eine gute Zeit. Pat und Harvey verwöhnen uns mit feinem Essen, unter anderem selbst gefangenem und geräuchertem Lachs, und nehmen mich anlässlich des Nationalfeiertags der First Nations am 21. Juni mit auf einen Ausflug nach Haines Junction. Im dortigen Kulturzentrum (das nach Covid erst gerade wieder aufmacht) bekommen wir einen feinen Eintopf mit frisch gebackenem Brot (leider kein Bannock) und im Aussengelände demonstriert und erklärt Tlingit Meister-Bildhauer Wayne Price, wie man einen traditionellen Einbaum (dugout) herstellt (nach dem Aushöhlen und Schnitzen wird das Boot mittels heissem Wasser/Dampf in seine endgültige Form gebracht: North Tide Canoe Kwaan Journey Synopsis und Zeitraffer eines anderen Projekts; die allermeisten heutigen Einbäume sehen zwar noch traditionell aus, bestehen aber aus Fiberglas…).

Nach zwei Nächten verlassen uns Pat und Harvey leider – wir hoffen, dass wir uns im Herbst auf dem Weg nach Süden wiedersehen!

Wir bleiben noch eine Nacht auf dem Campground. Das Holz ist hier inbegriffen und Ozy spaltet fleissig Scheite, damit wir die Moskitos auf Abstand halten können. Mit den süddeutschen Paaren Barbara und Dölf sowie Anne und Reini verbringen wir einen gemütlichen Abend und erhalten einige Tipps für schöne Übernachtungsmöglichkeiten.

 

Am 23. Juni geht es weiter Richtung Beaver Creek. Besondere Highlights sind dabei der wunderschöne, spiegelglatte Kluane Lake, an dem wir uns kaum sattsehen können, sowie die Begegnung mit einem Bärenjungen, das sich leider so vor uns erschreckt, dass es in Eile die senkrechte Felswand hinaufklettert (wir hoffen nur, dass Mama Bär es dann später wieder gefunden hat).
Bei Destruction Bay (benannt nach der Zerstörung eines Camps während des ALCAN-Baus durch Sturm) besuchen wir einen der historischen Mileposts und bei Burwash Landing gibt es ein Poser Pic vor der «weltgrössten Goldwaschpfanne». Der Highway wird immer schlechter. Der Permafrost sorgt für Verwerfungen, Schwellen und Gräben im Asphalt. Ihr könnt Euch vermutlich nicht vorstellen, wie schlimm diese sein können, darum nur so viel: teils sind alle vier Räder in der Luft…
Es werden schon länger Versuche mit Kühlsystemen unternommen, die wir – teils noch in Betrieb, teils schon länger aufgegeben – immer wieder entlang der Strasse sehen können.

Vor dem «Grenzort» Beaver Creek stellen wir uns an den gleichnamigen Fluss – nur um das erste Mal während unserer über dreijährigen Reise von einer Anwohnerin weggejagt zu werden, da es angeblich Privatgrund sei. Als Touristen können und wollen wir nicht argumentieren und bauen wieder ab. Da es in der unmittelbaren Umgebung keinen passenden Platz gibt (der Campground im Ort ist geschlossen), fahren wir halt die schlimme Strecke zurück und quartieren uns im 20 km entfernten Territorial Park mit dem passenden Namen Snag Junction ein (snag hat unter anderem die Bedeutung «unerwartete Schwierigkeit»…). Der Platz ist nicht besonders hübsch, aber für eine Nacht auch ok.

Am nächsten Tag ist es dann so weit: bei strahlendem Sonnenschein fahren wir zur Grenze hinter Beaver Creek. Abgesehen davon, dass wegen eines grossen RVs mit angehängtem Auto, das einen bösen Platten hat, der ganze Verkehr über die LKW-Spur geleitet werden muss, was dem armen Zöllner ordentlich Bewegung bringt, weil er immer aus dem Büro raus, dorthin und wieder zurück gehen muss, läuft der Grenzübertritt hier total entspannt ab: Pässe abgeben, dem Beamten nachsehen, wie er damit ins Büro speedet und sie zurückbringt, eine kurze Frage nach den ungefähren Plänen beantworten und freundlich eine gute Fahrt gewünscht bekommmen dauert wohl nicht einmal fünf Minuten.

Welcome to Alaska!

 

An der Strecke nach Tok wird zwar gearbeitet (die schlimmsten Löcher werden einfach mit Asphalt aufgefüllt, der dann mit einem Grader verteilt und gewalzt wird), aber die Strasse ist wegen der gleichen Permafrost-Bodenbeschaffenheit nicht besser als auf der kanadischen Seite…

Nach rumpeligen 140 km haben wir es dann endlich nach Tok geschafft.

Hier statten wir zuerst Fast Eddie’s einen Besuch ab, das uns von Bob empfohlen worden war. Er hat nicht zu viel versprochen: mein (erstes) Patty Melt (ein Hamburger-Patty mit karamellisierten Zwiebeln und Käse zwischen Toastbrot und alles nochmals in der Pfanne gebraten) ist ausgezeichnet! Ozy hat einen durchaus passablen Fischburger und wir zehren noch tagelang von den fried mushrooms, die wir als Vorspeise hatten. Ausgezeichnet, aber über 30 riesige, frittierte Pilze sind einfach viel zu viel (als Vorspeise sowieso, aber auch als Hauptspeise hätten sie locker für eine vierköpfige Familie gereicht… Ich nehme auch noch die Hälfte meines Patty Melts mit für den nächsten Tag…).

Wir quartieren uns auf dem süssen und nur 20 USD kostenden Alaskan Stoves Campground ein, der direkt neben dem lokalen Flugplatz liegt. Seinem Namen getreu hat jeder Platz einen kleinen BBQ Smoker Grill! Wenn wir das vorher gewusst hätten…  Wir geniessen die (liebevoll eingerichtete) Dusche und lernen zahlreiche Reisende kennen: unsere Nachbarn Heinz und Elsbeth aus dem Kanton Bern, Mathias von GEOVAN mit seinem sehr durchdacht eingerichteten VW Caddy und nicht zuletzt Kirsi Uottila mit ihrem herzigen Hund Jack, mit der wir immer noch in Kontakt sind. Tok scheint allgemein DER Overlander-Treffpunkt zu sein. Am nächsten Tag schwatzen wir im Visitor Center mit den Schweizern Marco und Christine, die 3 Monate mit Mietcamper unterwegs sind, und sehen ein weiteres Overlander-Mobil mit Schweizer Kennzeichen. So schön die einzelnen Begegnungen sind, haben wir doch schon fast eine Überdosis! Zwei Jahre lang praktisch keine Europäer und nun so viele auf einmal! Aber natürlich haben alle – wie wir ja auch – darauf gewartet, dass endlich die Grenzen wieder aufgehen und das Reisen möglich wird.

Die Sonne geht inzwischen immer später unter und die Temperaturen sind richtiggehend warm: 25 °C zeigt das Thermometer!

 

Die Fahrt nach Delta Junction ist schön (vom Wetter her), wenn auch wenig spektakulär. Anfänglich hat man noch Sicht auf die Wrangell-St. Elias Mountains der Alaska Range, doch führt die Strecke sonst zu einem grossen Teil durch den «grünen Kanal», wahlweise Fichten- oder Birken-/Espen-Wald. Aussicht hat man nur, wo ein Waldbrand war und der Jungwuchs noch nicht so hoch ist oder auf einer der Brücken über die breiten Flusstäler. Um Delta Junction kommen wir in Landwirtschaftsgebiet. Hier befindet sich auch die Delta Meat and Sausage Inc., wo wir uns mit herrlichen lokalen Bison- und Rentier-Spezialitäten eindecken (das Auge ist fast grösser als das Portemonnaie…). Für die Nacht fahren wir in die Clearwater State Recreation Site bei Deltana, wo wir über dem gleichnamigen (und sehr passend benannten) Bach ein hübsches Plätzchen finden. Inzwischen habe ich entdeckt, dass meine Oberschenkel komplett mit einer Art roten Flecken übersäht sind. Eine Suche im Internet ergibt, dass ich (in Tok?) vermutlich Chiggers aufgelesen hatte (eine mikroskopisch kleine Milbenart, mit Zecken verwandt, die aber im Gegensatz zu diesen glücklicherweise keine Krankheiten übertragen). Ozy weiss zwar nicht, wo anfangen, behandelt die «Stiche» aber tapfer mit unserem Beurer-Insektenstichheiler, der immerhin gegen das Jucken hilft.

Es gefällt uns so gut, dass wir gleich zwei Nächte bleiben. Wir wären vielleicht sogar noch länger geblieben, doch werden wir dieses Mal nicht von Raben, sondern von einem – wie wir es nennen – Terror-Eichhörnchen vertrieben. Das Tierchen macht einen solchen Lärm und dank fast-Mitternachtssonne auch noch die ganze Nacht, so dass wir kaum zum Schlafen kommen…

Am nächsten Tag, den 27. Juni, kommen wir nach Delta Junction und damit zum offiziellen Ende des Alaska Highway, Historical Mile 1422!

 

Wie es danach weitergeht (spoiler: u.a. Fairbanks und Dalton Highway) erfahrt ihr im nächsten Blog!

 

Geschafft! – Offizielles Ende des Alaska Highway in Delta Junction
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