Coole Küste – Nevada bis Washington State

Coole Küste – Nevada bis Washington State

Jetzt sind wir also auf dem Weg Richtung Küste, die wir die vergangenen vier Jahre vermieden hatten. Einerseits hat auch die Gegend östlich des Küstengebirges viel zu bieten (u.a. wilde heisse Quellen), andererseits ist die kalifornische Küstenebene dicht besiedelt und es kann schwierig sein, einen Schlafplatz zu finden. Und dann war ja auch noch Covid… Gerade Kalifornien und Oregon waren in dieser Zeit (und auch noch danach) sehr restriktiv; Reisen wurde nicht gern gesehen (oder war sogar verboten) und vieles war geschlossen.

Aber nun wollen wir endlich die Landschaften sehen, die wir bisher noch gar nicht kennen: die nordkalifornische Küste sowie die Oregon Coast! (Die Küste südlich von San Francisco bis LA hatten wir bereits 2015 zumindest beschnuppert).

 

Über die Sierra Nevada

Um dorthin zu gelangen, müssen wir zunächst die Sierra Nevada überqueren, die aufgrund der aussergewöhnlichen Schneefälle diesen Winter ihrem Namen alle Ehre macht. Viele Pässe (von denen es auch so schon nicht allzu viele gibt) sind jetzt, Mitte Mai, noch geschlossen und werden es voraussichtlich noch mindestens einen Monat bleiben.
Da wir sowieso in die Gegend von Sacramento müssen – wir haben Tickets für ein Journey Konzert am 20. Mai ergattert!!! – entscheiden wir uns für die historische Sierra Nevada-Südroute, die heute via CA-50 über den 2.250 m hohen Echo Summit führt. Auf dem Weg übernachten wir am Walker Lake bei Hawthorne NV, wo wir für nur 6 USD am Sportman’s Beach stehenbleiben können, inkl. Plumpsklo und überdachtem Picknick-Tisch. Es ist warm und wir geniessen es, draussen sitzen und die Farbenspiele der untergehenden Sonne über dem See beobachten zu können.

Wir passieren ein paar erste kleinere Vorgebirgsketten, das Städtchen Yerington und den hübschen Topaz Lake, bevor wir südlich von Lake Tahoe auf den Beginn der CA-50 treffen. Die Flüsse führen bereits recht viel Wasser und am nächsten Tag bekommen wir post festum sogar eine Hochwasserwarnung aufs Handy. Es ist fast unglaublich, wie viel Schnee diesen Winter gefallen ist und auch immer noch liegt. Teilweise hat es noch meterhohe Schneemauern und die Strasse wird von zahlreichen Wasserfällen gesäumt, die direkt aus den Schneefeldern laufen. Die Böden in der Höhe sind vermutlich noch gefroren und die oberen Schichten sind wassergesättigt, so dass in allen Ebenen und Senken das Wasser steht. Es ist schon früher Nachmittag und wir fragen uns langsam, wo wir einen Übernachtungsplatz finden sollen, der nicht im Schnee liegt und/oder komplett versumpft ist… Wir fahren einfach mal weiter und als wir auf die Westseite der Sierra kommen, wird es zum Glück etwas besser.

Schliesslich finden wir ein hübsches Plätzchen mit Aussicht. Letzteres, weil es hier – wie wir am Weg auch sonst an vielen Orten gesehen haben – gebrannt hat. An unserem Platz, wie wir dann bemerken, vermutlich erst letztes Jahr, denn der Kohlen- und Aschenstaub enthaltende Boden färbt etwas auf uns und unser Interieur ab… Es gefällt uns aber so gut hier (und wir haben auch noch etwas Zeit bis am 20.), dass wir gleich drei Nächte bleiben. Ozy tönt derweil sein Seitenfenster (um die Hitze besser abzuhalten) und ich wandere zu den Phantom Spires, die wir von unserem Platz aus sehen können.

 

Vom Journey-Konzert bis nach San Francisco

Dann ist der 20. Mai da und wir fahren zum The Venue @Thunder Valley Casino. Auch im Thunder Valley Casino hat es diverse Restaurants und wir suchen uns The Red Lantern aus. Aber natürlich hätten wir wegen des Grossanlasses vorher reservieren sollen: Die Wartezeit beträgt um halb sechs eineinhalb Stunden… Zum Glück hat es auch noch einen kleinen Food Court und so begnügen wir uns halt mit Panda Express. Ist ja auch chinesisch… 😉
Beim Warten entdecken wir, dass nächste Woche am gleichen Ort REO Speedwagon spielt. Das können wir uns auch nicht entgehen lassen!!! Also gleich zum Ticketschalter im Casino! Tickets gibt es gerade noch ein paar, allerdings erweist sich das Bezahlen als nicht ganz einfach: sie wollen einen Ausweis zur Kreditkarte und zum ersten Mal wird unser schön kopierter und laminierter Fahrausweis nicht anerkannt (wir haben die Originale natürlich auch dabei, aber die sind sicher im Auto verstaut…). Als Casino haben sie aber natürlich auch einen Geldautomaten und schliesslich erhalten wir die Tickets gegen Barzahlung dann doch noch.

Aber heute spielt zuerst einmal Journey! Bald kommt der grosse Moment und wir können die Rockband live erleben. Das Konzert, die Musik und auch das Theater sind sogar noch eindrücklicher als .38-Special vor dreieinhalb Wochen in Las Vegas! Es ist ein super Konzert und auch eine tolle Stimmung!  Praktischerweise dürfen wir gleich auf dem grossen Parkplatz vor dem Casino übernachten und können nach dem Konzert (und einem Ben & Jerry’s-Glacé) nur noch glücklich ins Bett fallen. 

 

Am nächsten Tag fahren wir ganz beschwingt nach Sacramento. Dort gucken wir uns Sutter’s Fort, heute ein State Historic Park, an (Geschichte des Forts bei Wikipedia und auf der SHP-Seite). Das Fort wurde 1839 vom Schweizer Johann August (John bzw. Don Juan) Sutter in der damals mexikanischen Provinz Alta California zunächst als landwirtschaftliche Kolonie Nueva Helvetia gegründet. Sie hat insofern grosse Bedeutung für Kalifornien, als dass sie die erste europäische Ansiedlung und bis 1849 das Zentrum der europäischen Besiedlung in Kaliforniens Central Valley war. Vom 1841 errichteten Fort aus getrockneten Lehmziegeln (inkl. mit Kanonen bestückten Bastionen) ist nur noch das Hauptgebäude erhalten, die übrigen Gebäude wurden Ende des 19. Jahrhunderts bzw. 1947 rekonstruiert. Wir hatten uns vom Besuch einiges versprochen, da es bis vor kurzem als eine Art Openair-Museum «das tägliche Leben der kalifornischen Pioniere von 1840 [zeigte] und als Zielgruppe insbesondere auch die Schüler» hatte (Zitat aus Wikipedia). Dies ist aber heute offenbar nicht mehr opportun…
Hatte man das Fort früher wohl von der «europäisch-amerikanischen Kolonialisten-Perspektive» aus gezeigt und vielleicht auch glorifiziert, ist man heute – nach meinem ganz persönlichen Eindruck – ins Gegenteil gekippt: Nun wird in allen Texten und zahlreichen Videos (u.a. mit zwei heutigen Stammesangehörigen, die sich extrem negativ zum Ort äussern) immer wieder betont, wie schrecklich die Besiedlung für die friedliche Jäger-Sammler-Gesellschaft der ansässigen Nisenan gewesen sei, wie sie alle samt und sonders ausgebeutet worden seien und welch ein Affront das hier stehende Fort noch heute für sie sei. Jetzt bekamen wir den Eindruck vermittelt, dass sie ohne die Ankunft vom bösen Herrn Sutter in ihrem paradiesischen Tal gemäss ihren alten Traditionen hätten weiterleben können (nur einmal wird ganz kurz die Problematik mit den mexikanischen Missionen und deren Erziehungsmassnahmen erwähnt).
Ich finde es sehr wichtig, dass Geschichte aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird. Doch ist das, was wir hier antreffen, für mich persönlich keine wirkliche Auseinandersetzung mit der Geschichte, nun einfach in die andere Richtung tendenziös und meiner Meinung nach auch nicht produktiv. Der Besuch im Fort hinterlässt bei uns jedenfalls einen schalen Nachgeschmack.
Ozy ist die Lust vergangen, aber ich gehe trotzdem noch ins gleich danebenliegende State Indian Museum, um mir die Geschichte der in Kalifornien lebenden Stämme anzusehen. Das Museum hat schöne Ausstellungsgegenstände (vor allem die extrem fein gewobenen Flechtwaren sind absolut beeindruckend), könnte aber meiner Meinung nach durchaus von einer Modernisierung profitieren. Auch werden für mich leider weder die Geschichte der Stämme Kaliforniens noch deren Eigenheiten so richtig greifbar.

Das wohl eher touristische und wenig authentische Old Sacramento verschieben wir aus Zeitgründen auf ein anderes Mal und fahren auf Nebenstrassen durch riesige Flächen voller Reben sowie Nuss- und Obstplantagen und kaufen auf dem Weg auch gleich ein paar frische Früchte an einem Stand. Unser Ziel ist die Brannan Island State Recreation Area, die auf einer Halbinsel zwischen dem Sacramento River und einem Nebenarm des San Joaquin River liegt. Der dortige Campground soll für die nächsten fünf Tage unsere Basis für die Erkundung von San Francisco sein.
Leider müssen wir feststellen, dass der Park recht stark heruntergekommen ist: Die meisten WCs/Duschen sind zu, die Wassertemperatur in einem Gebäude viel zu heiss, am anderen ganz knapp warm genug und anstatt 5 bekommt man für 50 Cent nur 2 Minuten Wasser. Wir melden die fast siedend heisse Dusche und bekommen als Dank eine ganze Handvoll Münzen zurück; leider stimmt die kurze Duschzeit, sie müssen die angeschriebenen Zeit noch anpassen… Nicht nur die Sanitärgebäude, sondern das ganze Areal macht einen verfallenen Eindruck. Das Personal erklärt uns dann, dass während Covid die Parks einfach geschlossen wurden, ohne sie auch nur minimal zu unterhalten. Zusätzlich hätten sich Obdachlose hier niedergelassen, die in den Sanitäranlagen alles ausgebaut und/oder kaputtgemacht hätten. Der Park ist jetzt nur noch nominell ein California State Park, die tatsächliche Betreiberin eine private Firma, die versucht, zwei Jahre Vernachlässigung und Vandalismus wieder in den Griff zu bekommen. Sehr schade, denn an und für sich wäre der riesige Park sehr schön, mit viel Grünfläche, Bäumen, einer grossen Boat Ramp, einer Marina und sogar einem (überwachten!) Badestrand am Three Mile Slough.

Ozy hatte den Platz ausgesucht, weil er nicht allzu weit von der BART-Endstation in Antioch liegt (BART steht für Bay Area Rapid Transit, das Bahnnetz im Grossraum San Francisco/Oakland/San José) und gleichzeitig offenbar so weit von allem weg ist, dass wir einen Platz für fünf Nächte reservieren konnten… Der Plan war (wie wir das bei anderen Städten auch schon gemacht haben), vom Übernachtungsplatz zum nächsten P+R zu fahren, unser Gefährt stehen zu lassen und den Zug in die Stadt zu nehmen. Ganz entspannt, keine Verkehrs- oder Parkplatzprobleme.
Die Idee wäre gut gewesen. Aber…
Kurz bevor wir hier ankommen, ist Ozy über zahlreiche Berichte und Kommentare gestolpert, die ein düsteres Bild der Lage auf den P+R Parkplätzen zeichnen: Nicht nur sind «normale» Diebstähle mit eingeschlagenen Scheiben an der Tagesordnung, sondern es sind gerade vor wenigen Tagen auf dem Platz in Antioch mehrere Autos abgebrannt, weil sogar die Treibstofftanks angebohrt werden, um Benzin zu stehlen… Die Polizei kann und will nichts machen, weil es sich bei den BART-Parkplätzen um Privatgrundstücke handelt, und BART kann und will nichts machen, weil sie sich auf die Sicherheit des Personenverkehrs konzentrieren…
Wir wollen unser Zuhause keiner Gefahr aussetzen, weshalb wir unseren Plan kurzfristig ändern und stattdessen bei Hertz in Antioch das kleinste Mietauto für 60 USD/Tag bestellen. Wir stellen fest, dass Brannan Island wirklich abgelegen ist, denn wir üssen sehr lange warten, bis ein Uber verfügbar ist, der uns zur Autovermietung bringt. Der Fahrer sagt uns dann, dass er nur gekommen sei, weil er Mitleid gehabt habe. Er wisse, wie abgeschieden der Park sei und er sei sowieso gerade auf dem Heimweg und in der Nähe vorbeigekommen… Glück gehabt!
Von Hertz bekommen wir ein Upgrade auf einen Mini-SUV Honda HR-V, da sie gar keine so kleinen Autos haben, und machen uns dann endlich auf dem Weg nach San Francisco. Dabei stellen wir fest, dass unser Übernachtungsplatz nicht nur sehr abgelegen und weit von der Stadt entfernt, sondern für unser Unternehmen überhaupt an einem ungeschickten Ort gelegen ist: Der rund 93 km / 57 mi lange Weg nimmt jeweils rund 1.5-2 h in Anspruch, da die Strassen hoffnungslos überlastet sind (und wir kommen jetzt auch noch dazu…). Und dann müssen wir auch noch jeweils täglich mindestens zwei Mal eine toll bridge (mautpflichtige Brücke) überqueren, was uns insgesamt nochmals 105.36 kostet… Oh well, das nächste Mal (falls es eins gibt), wissen wir besser Bescheid über die Gegend und planen sicher anders.

 

Nun aber nach San Francisco, das wir die nächsten vier Tage erkunden!
Wir fahren einige Etappen des «49-Mile Scenic Drive» (gute Beschreibung, inkl. Wegpunkten zum Herunterladen und weitere Tipps bei San Francisco 4 you), besuchen den Telegraph Hill mit dem Coit Tower (man müsste auf den Turm, damit man wirklich was sieht, der Hügel ist fast ganz zugewachsen), fahren das berühmte «crookedest road»-Teilstück der Lombard Street (wenn man es selber fährt, wirkt es gar nicht so steil, aber die Blumen sind wunderschön), fotografieren uns an der STEINER Street 😊 vor der Fassade der viktorianischen «Painted Ladies»-Häuser (von denen man heute wegen der davorstehenden Bäume praktisch nichts mehr sieht…), besuchen die drei separaten Gärten im riesigen Golden Gate Park (Japanischer Garten, Conservatory mit exotischen Pflanzen und etwas überwachsener Botanischer Garten), gucken das spannende Cable Car Museum an (eigentlich das aktive Depot, inkl. der riesigen Antriebsräder) und fahren natürlich auch mit der coolen «Strassenseilbahn». Ausserdem können wir endlich auch Alcatraz besichtigen – im Herbst 2015 waren die Touren komplett ausgebucht, jetzt sind wir (zumindest am späteren Nachmittag) fast alleine.
In Oakland besuchen wir auch noch die zweite Hälfte der originalen Jack London-Hütte, in der dieser den Winter 1897/98 im Yukon verbrachte (die untere Hälfte hatte ich letzten Herbst in Dawson City besichtigt). Dazwischen essen wir fein und lassen uns einfach mal von der Grossstadt treiben. Das Wetter in San Francisco ist übrigens «interessant»: Ist es im Hinterland heiss und trocken, ist es in um die Bay jeden Morgen bedeckt bzw. neblig und sehr kalt. Im Lauf des Tags, meistens gegen ein Uhr, zieht sich der Nebel Richtung Küste, etwa auf Höhe der Golden Gate Bridge zurück, die wir immer nur durch Schleier zu sehen bekommen, und dann wird es im sonnigen Teil recht warm und schön. Nur am letzten Tag, als wir mit der Cable Car fahren, löst sich der Hochnebel gar nicht auf und wir frieren erbärmlich.

Am fünften Tag geben wir das Auto zurück und erholen uns so gut als möglich von den Strapazen auf Brannan Island (das Wochenende beginnt hier bereits am Freitag und waren wir die Woche hindurch fast alleine, sind nun alle Plätze durch zeltende Familien besetzt und es geht so richtig die Post ab!), bevor wir am Samstag wieder zum Thunder Valley Casino bei Sacramento fahren.

Insgesamt hat uns San Francisco gut gefallen, besonders die kompromisslose Anlage der Strassen über alle Hügel hinweg, die teils noch erhaltene viktorianische Architektur und der riesige Golden Gate Park. Beeindruckend war vor allem auch, Alcatraz am Abend zu erleben.
Das Obdachlosenproblem war sichtbar, aber irgendwie weniger schlimm, als wir es von den vielen Erzählungen und Warnungen her erwartet hatten. Parken ging mit dem Mietwagen eigentlich immer recht problemlos und mit geöffnetem Handschuhfach und leerem Auto hatten wir auch keine Einbruchdiebstahl-Probleme. Das nächste Mal würden wir aber vermutlich nicht mehr mit unserem Camper bzw. einem Mietwagen kommen, sondern städtereisemässig ein Hotel nehmen…

 

Vom REO-Speedwagon-Konzert an die Pazifikküste

Aber jetzt ins REO Speedwagon-Konzert, auf das ich mich schon die ganze Woche gefreut hatte! Es ist etwas anders, als erwartet, denn «REO Speedwagon with John Waite» entpuppt sich als zweigeteiltes Konzert: Die erste Hälfte bestreitet John Waite mit seiner Band (hat mich nicht so überzeugt), die zweite Hälfte dann REO. Die gefällt mir schon viel besser! Von der Musik her aber auch von der Bühnenshow.
Die nächsten zwei Tage brauchen wir dann Erholung vom Ganzen, ausserdem ist gerade Memorial Day Weekend, wo sowieso alle unterwegs – und alle State Parks ausgebucht – sind, weshalb wir die drei  erlaubten Nächte ausnutzen und einfach stehenbleiben. Wir lassen uns an einem Mittag im casinoeigenen Thunder Café mit dem Memorial Day Weekend-Spezialmenü verwöhnen (und haben Glück, gerade noch die beiden allerletzten verfügbaren zu ergattern…) und ich mache jeden Abend einen kleinen Ausflug zum Ben & Jerry’s-Glacéstand… Yummy!

 

Nun sind wir wieder erholt und motiviert, endlich an die Küste zu fahren! Wir durchqueren dabei die südlichen Ausläufer der für ihren Weinbau berühmten Napa und Sonoma Valleys, die uns mit ihren vielen Hügeln und im Aussehen etwas an die Toscana erinnert. Wir passieren viele Weinberge und – oft in europäischer Architektur erbaute – Weingüter, aber auch Wälder und ausgedehnte Weiden. 
Uns steht heute der Sinn aber nicht nach Wein, sondern nach Cider. Ozy hatte bei einem Grossverteiler einige Büchsen gekauft, die ihm sehr geschmeckt haben. Wir haben dann herausgefunden, dass der Erzeuger, Golden State Cider, in Sebastopol (Kalifornien 😉) einen eigenen Taproom hat, dem wir nun einen Besuch abstatten. Er liegt in «The Barlow», einem Quartier, das nur aus Restaurants, kleinen Läden und Degustationsräumen besteht. Wir bestellen uns bei der netten Dame an der Bar erst mal einen flight und probieren die vier von ihr empfohlenen Cider. Am Schluss entdecken wir, dass sie auch einen echten – und ausgezeichneten! – Apfelbrandy verkaufen sowie einen Apfel-Dessertwein. Den Apfelschnaps müssen wir natürlich auch noch probieren (die Likör-Probe bekommen wir gratis dazu) und was soll ich sagen: wir verlassen den Laden sehr beschwingt mit vollen Tragtaschen und leerem Portemonnaie… Aber wir können stolz darauf sein, haben wir doch mit unserem Kauf zum Erhalt der Gravensteiner Äpfel in der Region beigetragen 😉 ).

Gut gelaunt treffen wir dann auf dem Bodega Dunes Campground des Sonoma Coast State Park ein, womit wir am Pazifik angekommen sind. Auch hier sind wir wieder unter der Hochnebeldecke. Ich mache eine ausgedehnte Wanderung in die Dünen und trotz fehlender Sonne leuchten die Blumen in allen Farben. Ich kann mich wieder mal nicht satt-fotografieren und bewundere besonders die grossen in weiss, hellgelb, lila und leucht-pink vorkommenden Blumen der auch sonst sehr farbenfrohen dickblättrigen Pflanzenteppiche (wir erfahren dann, dass ausgerechnet diese besonders farbenfrohe Mittagsblume (Carpobrotus), eine invasive Art ist, die man loszuwerden versucht). Da der Weg ausschliesslich aus tiefem Sand bestand, habe ich offenbar mein linkes Knie wieder überlastet (das erste Mal hatte es gegen Ende der 13 h-Wanderung nach Panamint City begonnen zu «stechen», sich aber zwischenzeitlich wieder beruhigt gehabt). Oh well. Wird schon wieder. Einfach etwas schonen…

 

Auf dem Pacific Coast Highway nach Norden

Am nächsten Tag fahren wir auf dem Pacific Coast Highway CA 1 nach Norden. Die Strasse folgt oft dem Küstenverlauf, biegt manchmal aber auch etwas ins Landesinnere ab und bietet dadurch viel Abwechslung. Ausblicke auf die wilde Küste wechseln sich ab mit bergigen Abschnitten, wo es aussieht wie im Appenzell, und Tälern mit blau leuchtenden Flüssen bzw. deren Mündungen. Nur schnell kommt man nicht voran, aber das wollen wir ja auch gar nicht. Besonders schön wird es nämlich, als wir aus dem Bereich der Nebeldecke kommen: Die Farben – und auch die Blumen entlang der Strasse – sind unglaublich intensiv! (Nur bekommt Ozy nicht allzu viel davon mit, da er sich auf die Strasse konzentrieren muss…).

Wir besuchen das interessante Fort Ross, von 1812 bis zu seiner Aufgabe 1841 die südlichste russische Ansiedlung an der amerikanischen Westküste (damals noch spanisch bzw. mexikanisch). Der Ort wurde gegründet, um die russischen Pelzjäger in Alaska zu versorgen, war für Landwirtschaft (ausser Rinderzucht und Apfelbau) allerdings nicht besonders gut geeignet. Stattdessen entwickelte sich der Stützpunkt zu einem wichtigen Handelsposten. Nach der von Russland verodneten Aufgabe wurden die Gebäude und das Land als Ranch genutzt. Aus russischen Besiedlungszeit hat sich das ehemalige Verwaltungsgebäude aus massiven Balken erhalten, dessen Zimmermannsarbeit wir ausgiebig bewundern (die restlichen Gebäude, inklusive der orthodoxen Kapelle sowie einer der beiden ehemaligen Windmühlen, wurden im Lauf der Zeit rekonstruiert).

Die nächsten zwei Nächte bleiben wir im Salt Point State Park, damit ich wandern gehen kann. Allerdings beschliesst mein Knie gerade, sich nun so richtig zu melden und ich kann kaum mehr die Einstiegsleiter hinauf- oder hinuntersteigen. Aber ich will doch wandern gehen!!!
Beim Googeln finde ich die interessante Seite «Schmerzfrei-Therapie von Liebscher & Bracht» und Ozy erinnert mich an das kleine TENS-Gerät, das wir vor Jahren mal gegen Rückenschmerzen gekauft hatten. Ich probiere die Dehnübungen und unser Gerät und eines von beiden oder die Kombination wirkt so gut, dass ich am nächsten Tag 14 km (und 310 Höhenmeter) bewältige!

Der erste Teil der Wanderung führt mich auf dem Salt Point Trail entlang der Küste und ist wohl etwas vom Schönsten, was ich je gesehen habe! Der blaue Pazifik, die wilde Brandung, die grüne Küstenebene und vor allem die zahlreichen Blumen sind einfach atemberaubend! Und die Farben sind so intensiv, dass es fast weh tut.
Von der Küste führen ehemaligen Holzfällerstrassen ins steil ansteigende, waldbestandene Hinterland. Auch diese Vegetation ist wunderschön, mit hoch aufragenden Coastal Redwoods und Kiefern, grazilen Madronebäumen (Arbutus menziesii) mit tiefrot leuchtender, seidenglatter Rinde und hellrosa bis pinke Farbtupfer setzenden Rhododendren. Die benachbarte Kruse Rhododendron State Natural Reserve war wegen Sturmschäden geschlossen gewesen und auch hier wären einige Trails aus dem gleichen Grund – und genauso halbherzig – «gesperrt». Aber ausser dem einen oder anderen Stamm, der anhand der bereits darum herumführenden Wege schon länger zu liegen scheint, gibt es keine speziellen Hindernisse. Ich hatte auf der Karte gesehen, dass der nördliche Abschnitt der San Andreas-Verwerfung in der Nähe vorbeiführt und statte auch dieser noch einen Besuch ab. Sie präsentiert sich – entgegen meinen Erwartungen – hier als recht kleines, tiefes Tal mit einem verwunschenen Teich auf dem Grund.  
Am Abend behandle ich mein nun doch ein bisschen stechendes Knie nochmals und habe seitdem – toi, toi, toi – überhaupt keine Schmerzen mehr.

 

Mammutbaum-Wunderland

Am nächsten Tag geht es weiter auf dem Coast Highway. Auf einem etwa 16 km / 10 mi langen Abschnitt fallen uns speziell gebaute Häuser, weisse Pfosten mit Strassennamen und Tafeln mit dem Namen «The Sea Ranch» auf. Wir wundern uns über diese gleichzeitig wild und organisiert scheinende Ansiedlung und erfahren dann aus dem Internet, dass es sich dabei tatsächlich um eine spezielle Siedlung handelt, die in den 1960er Jahren mit dem Ziel gegründet  wurde, in Harmonie mit der Landschaft und Umwelt zu leben und deren Vorgaben jeder neue Bewohner zwingend befolgen muss (Über die Sea Ranch und Living at The Sea Ranch).
Die Fahrt geht weiter, entlang der Küste, ein bisschen durchs Hinterland und durch viele kleinere Dörfchen, die mit wunderschönen Gärten und traditionellen Holzzäunen sowie einer Unmenge an Kunstgalerien aufwarten. Als sich die CA 1 dann endgültig von der Küste ins Landesinnere verabschiedet, führt sie in immer abenteuerlicheren Kurven durch das mit Coastal Redwoods bestandene Küstengebirge. Bei Legett endet sie dann auch am CA 101, dem sogenannten Redwood Highway.

In der Benbow State Recreation Area machen wir übers Wochenende Pause und ich kann wieder eine kleine Wanderung unternehmen. Hier sind die Schäden des grossen Sturms noch viel deutlicher sichtbar. Und auch, wie wenig Ressourcen vorhanden sind, um die Schäden zu beheben: Der Trail ist zwar offiziell vor kurzem wieder geöffnet worden, doch wurden nur gerade die gefährlichsten Stellen entschärft, der Rest gleicht einem Hindernislauf. Über und unter Stämme und durch von entwurzelten Bäumen hinterlassene Krater kletternd erreiche ich die Thrap Mill, eine ehemalige Sägerei, von der noch der Dampfkessel und wenige Ruinen erhalten sind.

 

Nun geht es weiter auf der sogenannten Avenue of the Giants, die als Scenic Highway parallel zur CA 101 durchs South Fork Eel River-Tal läuft. Den Namen hat sie von den riesigen Küstenmammutbäumen (Sequoia sempervirens), die hier wachsen. Diese zählen mit über 110 m Höhe und Stammdurchmessern bis 9 m zu den höchsten Bäumen der Welt und sind auch sehr langlebig: der älteste bisher datierte ist rund 2200 Jahre alt. Sie sind vom Küstennebel abhänging und kommen deshalb auch nur in einem rund 750 km / 470 mi langen Streifen entlang der Pazifikküste Nordkaliforniens und Südoregons vor. Sie zählen aufgrund ihrer Grösse, geraden Wuchses, Dauerhaftigkeit, Astreinheit und technischen Eigenschaften zu den besten Nutzhölzern und werden, da sie zudem verhältnismässig schnell wachsen, auch noch heute kräftig für die Holzindustrie genutzt. Inzwischen sind aber einige alte, noch nie abgeholzte Bestände geschützt (sogenannte old growth groves). Sie haben sich vor allem in tiefen Tälern erhalten, die für die Holzfäller nur schlecht zugänglich waren. Die meisten und höchsten Bäume finden sich im Humboldt Redwoods State Park und im Gebiet Redwood National and State Parks, die wir beide besuchen.

Hatten wir uns in San Francisco «The Rock» und «Escape from Alcatraz» angesehen, so gucken wir jetzt natürlich «Return of the Jedi», der in dieser Gegend gefilmt wurde. Wir sehen zwar keine Ewoks😉, aber die riesigen Bäume sind schon genug! Ihre Höhe und ihr Umfang sind absolut beeindruckend. Interessant sind auch die ganz unterschiedlich geformten burls: Maserknollen, die vor allem im unteren Bereich des Stammes vorkommen und Knospen enthalten. Bei Verlust des Baumes treiben diese aus und es entsteht ein «Familienring», eine dicht stehende Ansammlung neuer Bäume (es erinnert mich etwas an einen Drachen, dem man den Kopf abschlägt und dann wachsen zehn neue nach…). Gefallenen Bäume bieten zudem die Unterlage für Farne oder sogar andere Bäume. Überhaupt sind die Wälder als solches intensiv grün, wunderschön und geheimnisvoll, besonders, wenn es Nebel hat. Wir besuchen einige der sehr lehrreichen Besucherzentren und waldlehrpfad-ähnlichen Trails durch die groves mit Beschreibungen zu den Bäumen und zum gesamten Ökosystem und staunen.

Nur die Übernachtungssituation ist leider nicht ganz einfach. Wir sind hier einem allseits beliebten Gebiet (kein Wunder…) und offenbar haben gerade die Schulferien begonnen. Eine Nacht kommen wir relativ kostengünstig bei den Fairgrounds von Ferndale CA unter, einem leider etwas verlassen wirkenden Städtchen, das für seine vielen viktorianischen Häuser bekannt ist. Bei den Redwood National and State Parks wird es allerdings dann ganz schwierig: Die Campgrounds sind komplett ausgebucht und ein noch recht leer aussehender, privater Campground gleich ausserhalb der Parkgrenze ist leider auch schon besetzt. Als wir überlegen, was wir jetzt machen sollen, kommt ein freundlicher Herr auf uns zu, der sich für unser Gefährt interessiert. Er bekommt schnell mit, was los ist und lädt uns ein, uns die beiden gewünschten Nächte zu ihm auf den Platz zu stellen – so lieb!!! (Die Campground-Betreiber wollen dann übrigens trotzdem 25.-$/Nacht von uns und auch noch ohne Infrastruktur…!!!). Unser Retter Dallin (The Diesel Family) ist mit seiner Familie sowie einer zweiten Familie unterwegs und Ozy verbringt zwei schöne Abende mit ihnen am Lagerfeuer. Ich gehe beide Abende recht früh ins Bett – das eine Mal, weil ich am nächsten Tag eine lange Wanderung vorhabe und am nächsten Abend wegen der langen Wanderung… Diese war es aber wert: sie führt vom Prairie Creek Visitor Center auf insgesamt 18 km und 451 m Höhenunterschied über den Miner’s Ridge Trail und James Irvine Loop durch old und second growth-Wälder zur Küste und zurück. Das Highlight ist dabei der Fern Canyon, der sogar über eine lange, schmale und kurvige Strasse erschlossen wäre. Aufgrund dessen Beliebtheit wird pro Tag allerings nur eine bestimmte Anzahl permits vergeben und wir waren natürlich zu spät… Der Canyon ist auch so noch sehr gut besucht, aber mit seinen dicht bewachsenen, fast geraden Wänden trotzdem sehr beeindruckend! Und obwohl ich auch nach 15 km schon genug gehabt hätte, war die ganze Wanderung einfach wunderschön.

 

Oregon Coast

Am nächsten Tag ist das Wetter dann so richtig mystisch-neblig. Wir verlassen die Redwood-Schutzgebiete und gelangen bald nach Oregon, wo wir im Humbug Mountain State Park übernachten. Die Unterschiede von den Oregon zu den California State Parks sind schon beim ersten Aufenthalt offensichtlich: gut gepflegt, keine Münzduschen mehr (juhuuu!) und zwei bis drei Camp Hosts auf dem Platz. Ich hätte gerne eine Wanderung auf den gleichnamigen Berg gemacht, lasse es aber, weil die Spitze irgendwo im dichten Nebel verborgen ist.

Die OR 101 ist ein Stückchen von der Küste entfernt, es gibt aber immer wieder (mehr oder weniger überwachsene) Ausfahrten oder kleine State Parks oder State Scenic Viewpoints, wo man einen besonders schönen Blick auf die Klippen und vorgelagerten Felsen hat. Ansonsten viele Waldfelder, kleinere Seen, Sanddünen, die eine oder andere Sägerei sowie einige grössere Orte an grossen Flüssen mit Häfen und Holz-Verladestationen. Das Wetter ist meistens grau, kalt und neblig, aber zwischendurch gibt es ab und zu auch mal ein kleines Wolkenloch. Beim Cape Perpetua, wo die Küste eine ganz besondere Form hat, gucken wir uns Thor’s Well und das Spouting Horn an. Wir sind zwar nicht zur richtigen Zeit da, um die beiden Gezeitenphänomene beobachten zu können (und das Wetter ist alles andere als freundlich), aber auch so ist das Schäumen und Wirbeln des Wassers in den engen Buchten beeindruckend. In Newport machen wir einen Ausflug an die Waterfront, ein interessanter Mix aus Tourismus und aktiver Fischerei, haben aber keine Lust, das warme Auto zu verlassen…
Mittlerweile ist es Nachmittag, doch sind alle State Park Campgrounds entlang der Küste bereits voll. Es ist natürlich auch schon wieder Freitag und damit Wochenende… Als wir durch Lincoln City kommen, entdecken wir sozusagen mitten in der Stadt die Devil’s Lake State Recreation Area, wo es zum Glück noch ein Plätzchen für uns hat. Es gefällt uns so gut – und wir sind so froh, einen Platz gefunden zu haben – dass wir bei der netten Rangerin am Eingang gleich für zwei Nächte buchen. Wir sind an so vielen Fischrestaurants vorbeigefahren, dass wir gleich ins benachbarte Kyllo’s Seafood & Grill Abendessen gehen. Und wir werden nicht enttäuscht: vor allem die Vorspeise aus lokalen Muscheln, gekocht mit Chorizo und Chili und begleitet von frischem Knoblauchbrot (die für eine Person locker als Hauptgang gereicht hätte) ist der absolute Hammer! Es schmeckt uns so gut – und das Angebot ist so verlockend… –, dass wir ausnahmsweise sogar noch Dessert dranhängen und dann pappsatt ins Bett fallen.

 

Am nächsten Tag machen wir einen Ausflug zur Küste und zur Tillamook Creamery. Es ist herrliches Wetter, Samstag und dementsprechend viel los. Sowohl an der Küste als auch bei der der Käserei. Die Parkplätze an den Stränden sind alle übervoll (nicht nur Strandvergnügen sondern auch Muscheln ausgraben), doch finden wir beim Cape Meares Scenic Viewpoint noch ein Parkplätzchen, wo wir durchs Teleskop einer freundlichen Rangerin brütende Möwen und Kormorane beobachten, den hübschen gleichnamigen Leuchtturm besuchen und den Octopus Tree, eine 250-300 Jahre alte und sehr speziell gewachsene Sitka Fichte (Picea sitchensis) bewundern können.
Auch bei der Tillamook Creamery spielt sich dann natürlich einiges ab. Die Firma ist aber so gross und so bekannt (ihre Produkte bekommt man im ganzen Westen der USA), dass sie ein grosses Besucherzentrum mit Besuchergalerie gebaut haben, von wo aus man die Herstellung des Cheddar Cheese mit Erklärungen beobachten kann. Der Prozess unterscheidet sich insofern vom uns bekannten, als dass der aus gesäuerter Milch gewonnene, gesalzene Käsebruch (curds) abgetropft, mechanisch miteinander «verschmolzen», gezogen und gewendet (drain, knit, stretch and flip, das sogenannte «cheddaring»), in Stücke geschnitten und schliesslich durch sein eigenes Gewicht in 20 kg-Blöcken gepresst wird. Diese werden eingeschweisst und dann so gelagert (also kein Käser, der liebevoll seine Laibe mit Salzlake bürstet… 😉 ). Nach der Lagerzeit (je nach Sorte von 60 Tagen bis 5 Jahre) werden die Blöcke ausgepackt, portioniert und für den Handel verpackt (das meiste wird von Robotern erledigt. Die Menschen dürfen vor dem Verpacken noch von Hand Käse dazufügen, wenn das Gewicht nicht stimmt). Cheddar gibt es übrigens «weiss» und – bei uns bekannter – orange. Der Geschmack ist der gleiche und wird durch Annatto, gewonnen aus den Samen des gleichnamigen Strauches (achiote tree, Bixa orellana) erzeugt. Der Hintergrund ist offenbar, dass man dem Käse eine einheitliche Farbe (unabhängig vom Rahmgehalt) geben wollte. Inzwischen hat sich die Farbe wohl ein bisschen verselbständigt, so dass der Cheddar heute ein richtig sattes Orange aufweist.

Nachdem wir mit Probierportionen «angefixt» worden sind, geht es in den riesigen Verkaufsladen, wo man nicht nur alle ihre Milchprodukte (vom Käse über Butter und Joghurt bis zur Glacé), sondern auch noch viele andere schöne und teure regionale Produkte für den Magen und für die Küche… Wir erstehen verschiedene Cheddar Cheese. Die meisten bekommt man auch in den Grossverteilern, aber wir erstehen auch einen «Maker’s Reserve» Jahrgangskäse, den man sonst nicht so einfach bekommt (Als wir ihn dann einige Tage später verkosten sind wir begeistert: der white cheddar von 2013 schmeckt ähnlich wie sehr gut gereifter Gruyère bei etwas cremigerer Konsistenz). Jetzt haben wir natürlich Hunger, weshalb wir in der angehängten «Dining Hall» etwas Passendes bestellen – Ozy nimmt Cheeseburger und ich grilled cheese, eine Art Käseschnitte. Sehr lecker! Und ganz zum Schluss darf natürlich – trotz der langen Schlange – auch ein Tillamook-Glacé nicht fehlen! Satt, müde und mit vollem Kühlschrank treffen wir wieder auf dem Campground in Lincoln City ein, wo ich noch einen stürmischen Abendspaziergang am laaaaaangen Strand mache und dabei einem Weisskopfseeadler, angeschwemmtem Kelp sowie einer – leider toten – Robbe begegne.

 

Von der Spruce Goose bis zum Mt. Saint Helens

Am nächsten Tag verabschieden wir uns für längere Zeit vom Pazifik. Über einen Hügelzug gelangen wir ins nächste, landwirtschaftlich genutzte Tal. Sobald wir im Landesinneren sind, steigt das Thermometer auf 27 °C. Heute fahren wir nicht weit, nur bis kurz nach McMinnville OR, wo wir das Evergreen Aviation & Space Museum besichtigen wollen. Das Museum wurde von Delford M. Smith, dem Gründer der Evergreen Aviation gegründet und beherbergt als Highlight Howard Hughes’ riesiges H-4 Hercules, das grösste Flugboot, das je gebaut wurde. Da Hughes aufgrund des 2. Weltkrieges kein Metall für die Hülle brauchen durfte, baute er es kurzerhand aus Duramold, einem Birken-Laminat, was dem Flugzeug den Spitznamen «Spruce Goose» («Föhren-Gans») eingebracht hat. Das Flugboot hat nur einmal für kurze Zeit abgehoben (ob es sich um einen «echten Flug» gehandelt hat, ist noch heute umstritten) und wurde danach von Hughes 29 Jahre bis zu seinem Tod 1976 in einem eigenen, klimatisierten Hangar flugfähig unterhalten. Nachdem es über 10 Jahre in einem eigens gebauten «Dome» in Long Beach CA ausgestellt gewesen war, hat es 1991 Evergreen Aviation für sein Museum erhalten, weil sie die einzigen waren, die es noch im Ganzen ausstellen konnten (sie haben das Museum sozusagen drum rum gebaut). Mittlerweile gehört das Museum einer Winery, die den Grossteil des Geländes als Rebberg nutzt.
Aber zurück zur Spruce Goose! Man betritt das Museum durch ein Düsentriebwerk und dann steht man vor dem Riesending! Wir hatten ein Ticket für die behind the scenes-Tour erstanden, das für bis zu 4 Personen gilt. Da wir nur zu zweit sind, bekommen wir von einem ehemaligen Flight Controller eine interessante Privatführung. Das Highlight ist wohl der Besuch des Cockpits, wo man (Ozy) sich in den Pilotensessel setzen darf, in dem Howard Hughes beim Jungfernflug persönlich Platz genommen hatte. Die restlichen Ausstellungsstücke sind auch ganz interessant, verblassen aber ein bisschen neben dem zentralen Prunkstück (vor allem für uns Flugzeug-Laien…). Wir können (gegen 18 USD Aufpreis) auf dem Museumsparkplatz übernachten und sehen uns natürlich gleich den Film «The Aviator» über das schillernde Leben Howard Hughes’ an.

 

Am nächsten Tag müssen wir dann den Platz räumen, weil eine Veteranengruppe erwartet wird, die in Black Hawk-Helikoptern anreist (!). Wir wollen aber sowieso weiter, denn wir haben den Mt. Saint Helens auf dem Programm, den wir noch nicht gesehen haben.
Es gibt verschiedene Zufahrten, und wir entscheiden uns dieses Mal für die Westzufahrt, wo auch das Mt. Saint Helens-Besucherzentrum liegt. Die dortige Ausstellung ist ganz interessant, vor allem der Film zur Zeit vor, während und nach dem Ausbruch am 18. Mai 1980 ist sehr eindrücklich.
Danach besuchen wir – mit einem kurzen Abstecher zur sediment retention structure (Sediment-Rückhaltebecken) – verschiedene Aussichtspunkte. Allerdings kommen wir auch auf dieser Seite nicht ganz so nah heran wie erhofft, da das letzte Stück der Strasse zum Johnston Ridge Observatory aufgrund eines Erdrutsches gesperrt ist. Immerhin können wir an einem der Aussichtspunkte übernachten, was uns die Gelegenheit gibt, das Farbenspiel der untergehenden Sonne auf dem immer noch beeindruckenden Vulkan zu beobachten.
Was wir für ein Wetterglück hatten, sehen wir am nächsten Tag: unter uns ein Nebelmeer, über uns der Hochnebel. Auf dem Rückweg besuchen wir noch das Forest Learning Center über den Ausbruch und die folgende Wiederaufforstung auf der Westseite des Berges. Das Zentrum wurde von Weyerhaeuser gesponsert, einem der größten internationalen Forstwirtschaftskonzerne, dem praktisch das ganze Gebiet gehört; die Ostseite wurde ins Mt. Saint Helens National Volcanic Monument umgewandelt, wo man der Natur bzw. Wiederbewaldung ihren Lauf lässt. Über zwei Jahre wurden die von der Schockwelle umgeblasenen oder durch die heisse Luft abgestorbenen Bäume entfernt (und soweit möglich noch genutzt) und in der Folge 18,14 Millionen neue Setzlinge angepflanzt, wobei jeweils die Ascheschicht weggekratzt werden musste. Mittlerweile hat die normale Waldnutzung wieder begonnen und die ersten Bäume wurden geerntet.

 

Vier schöne (und arbeitsreiche) Wochen bei Don

Vom Mount Saint Helens geht es wieder zu unserem lieben Freund Don südlich von Seattle. Unser Besuch hat sich bei ihm schon durch eine grössere Menge Pakete angekündigt… Ozy hat grossen Service geplant und Don ist so nett uns wieder zu beherbergen. Schliesslich werden es ganze vier Wochen, da nicht nur Geplantes, sondern dieses Mal leider auch einiges Ungeplantes zu tun ist. Am Schluss hat er Folgendes erledigt:

  • Bremse hinten Komplett-Service
  • Hauptbremszylinder ausgetauscht
  • Öltemperatursensor austauscht
  • Ölwechsel Motor
  • Wasserleitung Zusatzheizung ersetzt
  • Servolenkungsschlauch ersetzt
  • Dichtungen am Dach des Wohnaufbaus ersetzt
  • Generator: Ölwechsel und Luftfilter ersetzt
  • Anhängersteckdose montiert
  • «Badzimmer-/Kleiderschrank»-Türe abgestützt
  • Fahrerhaus geputzt
  • 1 kaputte Lithium-Batteriezelle ersetzt (ungeplant)
  • ABS ersetzt (ungeplant; wäre auch nicht nötig gewesen…)
  • Stühle repariert (ungeplant)
  • Fuss Einstiegsleiter geschweisst (ungeplant)

Ich arbeite derweil am Blog, koche (unter anderem ein 4th of July-Menu zum Nationalfeiertag) und liefere mir mit Don am Abend jeweils ein hartes Flipper-Gefecht. Wir besuchen auch seinen Freund Rod, der ebenfalls zwei Flipperkästen hat. Sie sind rund 20 Jahre neuer und spielen sich ganz anders als Dons klassischer, mechanischer Pinball-Wizard aus den 70er-Jahren. Am Vatertag sind wir bei Dons Tochter Erica und ihrem Mann Matt mit-eingeladen und geniessen von feine Burger und ein sehr leckeres Dessert von Matts Mutter. Zwei Mal kommt uns Dons Bruder Jim zum Abendessen besuchen, was auch wieder Gelegenheit bietet, etwas Spezielles zu kochen. Auch Don verwöhnt uns immer wieder mit feinen Steaks vom Grill und ab und zu gehen wir auch auswärts essen, unter anderem natürlich zu unserem Lieblings Seafood-Restaurant Anthony’s at Point Defiance. Ich lerne im Safeway Dagmar kennen, die vor rund 40 Jahren mit ihrem amerikanischen Mann aus Deutschland gekommen ist, und aktuell für die Ladenkette Safeway arbeitet. Sie lädt mich ein, mit ihr am Samstag den Farmers Market in Puyallup zu besuchen und wir verbringen dort einige nette  Stunden zusammen. Leider muss sie viel arbeiten, so dass es dieses Mal bei diesem einen Treffen bleibt, aber wir bleiben mit WhatsApp in Kontakt und treffen uns ja vielleicht nächstes Mal wieder.
In der Zwischenzeit ist der neue Indiana Jones herausgekommen und da muss ich natürlich hin! Der Film gefällt uns nicht schlecht (immerhin gibt es den Mechanismus von Antikythera, wenn auch nicht als «Zeitsprungvorhersagemaschine») und auf dem Rückweg kommen wir in den Genuss des Super-Vollmondes.
An unserem letzten Tag nimmt uns Rod mit in den Northwest Trek Wildlife Park, ein Wildtierpark, wo wir uns nicht nur diverse einheimische Tiere in ihren Gehegen ansehen, sondern auch mit dem Auto eine geführte «Safari» im grossen Freilaufgehege mit verschiedenen Hirschen, Bisons und Bergziegen machen können (die sich allerdings alle mehr oder weniger gut verstecken…).

Es war wieder eine schöne Zeit mit Dir, Don, und wir freuen uns schon sehr auf ein Wiedersehen!!! Die Zeit ist nur so verflogen. Auch insgesamt, denn die sechs Monate seit Einreise von der Baja in die USA sind schon fast vorüber! Am 11. Juli müssen wir uns von Don verabschieden und fahren Richtung Port Angeles, von wo uns die Fähre nach Vancouver Island und damit nach Kanada bringt.

 

Wie das alles klappt mit der Einreise und was wir in Kanada alles erleben, lest Ihr dann im nächsten Blog!

Ein Gedanke zu „Coole Küste – Nevada bis Washington State

  1. Danke, liebe Schätze,
    für die wieder so tollen Berichte und Bilder mit den unglaublich schönen Blumen!!!
    Ich freue mich, auf die nächsten Berichte, zuerst aber noch auf Steffi’s Heimaturlaub!!!!
    Ganz viele Küsslis von eurer iLSE

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