The Great River Road – Entlang des Mississippi von New Orleans bis zum Lake Itasca

The Great River Road – Entlang des Mississippi von New Orleans bis zum Lake Itasca

Nun gilt es ernst: Wir folgen dem 3778 km langen Mississippi von New Orleans bis zur Quelle!

Mit allen kleineren und grösseren Umwegen fürs Sightseeing und Übernachten wird uns unser Weg vom «Southernmost Point in Louisiana» bis zum Lake Itasca schliesslich während 26 Tagen auf 4’116 km durch 10 Bundesstaaten geführt haben.

Der Untere Mississippi: New Orleans bis zur Einmündung des Ohio

Für New Orleans ist für das Wochenende ein Tropensturm angekündigt. Die Luftfeuchtigkeit ist bereits jetzt enorm, die Temperatur auf 25 Grad gefallen, und wir erleben wieder einmal einen Tag mit dräuenden Wolken, Wind und abschnittsweise heftigen Niederschlägen. (Der Sturm ist dann zum Glück weniger heftig als angekündigt und für uns nicht relevant, da er gegen Nordosten zieht).

Anstatt direkt dem Mississippi zu folgen weichen wir gleich zu Beginn vom Fluss ab, um den beeindruckenden, 38 km langen Lake Pontchartrain Causeway über den gleichnamigen See zu befahren, bei seiner Eröffnung 1956 die längste Brücke der Welt. Da man nur die Nord-Süd-Passage bezahlen muss, dürfen wir die Fahrt sogar kostenlos geniessen.

Bei Baton Rouge, LA überqueren wir den riesigen Mississippi zum ersten Mal (der treffende Name leitet sich von der Ojibwe oder Algonquin-Bezeichnung Misi-ziibi, Grosser Fluss, ab) und folgen dann dem rechten Flussufer auf der Great River Road gegen Norden. Wir waren zwar durch unseren Besuch im 2015 schon vorgewarnt, trotzdem haben wir uns die Route unterbewusst irgendwie schön und romantisch, mit lieblichen Flussufern und grossartigen Ausblicken auf einen gemächlich dahinziehenden grossen Strom vorgestellt.

So ist es aber nicht. Zumindest nicht auf den ersten 2000 km…

Zunächst einmal ist die «Great River Road» keine eigene Strasse, sondern ein touristisches Konstrukt, das sich schon existierender Strassen rechts und links des Mississippi bedient. Die Route ist beschildert und es gibt eine grobe Karte, eine Website und eine App, auf der die Besucherzentren in den einzelnen Staaten sowie Museen verzeichnet sind, die sich mit der Geschichte des Flusses und der Region beschäftigen. Das heisst, man muss sich immer wieder entscheiden, was man angucken und damit auch welcher Flussseite man folgen will.
Zum Zweiten ist vom mächtigen Hauptstrom – wenn man ihn nicht gerade auf einer Brücke überquert – weit und breit nichts zu sehen: Besonders der Untere Mississippi ist von einem komplexen Deichsystem umgeben, dem wir (damit meist von der Great River Road abweichend) anfangs eng folgen. Das System ist über Jahrhunderte gewachsen und wurde – meistens nach einer grossen Flut – weiter ausgebaut. Diese Praxis hat (wie auch bei Flüssen in Europa) seine eigenen Probleme geschaffen. Mittlerweile gibt es vorgesehene Überflutungsstellen und Ablaufwerke, wo bei einer verheerenden Überschwemmung der Druck von den Deichen und den Städten Baton Rouge und New Orleans genommen werden soll, indem das Hinterland kontrolliert geflutet wird. Aktuell steht wegen des hohen Mississippi-Wasserstandes ein grosser Teil der Landschaft zwischen den Levees unter Wasser, so dass wir, wenn wir eine der Strassen auf den Deichen benutzen können (nicht alle dürfen befahren werden), von der erhöhten Position aus immer wieder Ausblicke auf überflutete Auenwälder haben.

Die flache, fruchtbare Gegend hinter den Deichen wird so weit als möglich landwirtschaftlich genutzt. Angebaut werden hauptsächlich Baumwolle, Mais, Milo (Sorghum-Hirse), Soyabohnen, Reis und Weizen und es werden Süsswassergarnelen und Welse gezüchtet. Da und dort sieht man noch alte Plantagen oder zumindest deren Häuser und die Landschaft wird durch Wälder, Altarme, Seen und Teiche aufgelockert.

Uns fällt auf, dass es (ausser direkt entlang der grossen Ost-West-Routen) praktisch keine iOverlander-Einträge gibt. – Wir fahren durch die von den urbanen Snobs an der Ost- und Westküste «Fly over Country» genannte rurale Gegend, die von den meisten Reisenden nur möglichst schnell durchquert werden will. Dass sie dabei sehr viel verpassen, hoffen wir mit diesem Beitrag zeigen zu können.

 

Wie schon in Texas und Louisiana ist auch hier das Land meistens privat. Wir werden deshalb vorwiegend in State Parks übernachten müssen. Zugegebenemassen ist es momentan auch ein dürfen, da wir angesichts der hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit froh um die meistens vorhandenen Duschen sind. Zudem reicht die Batteriekapazität nicht, um unsere Klimaanlage ohne Zusatzstrom 24/7 zu betreiben. (In der Wüste, wo es trocken ist und nachts meistens schön abkühlt, hat es gereicht, die Klimaanlage während des Tages/Abends laufen zu lassen. Hier wird das Wohnen bei den vorherrschenden Temperaturen von 30 Grad und mehr bei gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit ohne Klimaanlage schnell sehr unangenehm…).

Manchmal ist es aber auch erlaubt, auf dem Parkplatz eines Besucherzentrums stehenzubleiben. Diese Möglichkeit nehmen wir gleich in Natchez, MS sehr gerne in Anspruch, weil wir dadurch ganz in der Nähe der ausgesprochen hübschen Stadt stehenbleiben können. Nach einem ausgezeichneten Abendessen im Magnolia Grill im historischen «Under-the-Hill-District» (die Fried Green Tomatoes waren absolut der Hammer!) erkunde ich inmitten einer grandiosen Abendstimmung zu Fuss die «Upper Town» auf dem Felshügel mit ihren Parks und den Herrenhäusern aus der Antebellum-Periode.

 

Am nächsten Tag geht es weiter nach Vicksburg, MS, wo wir den ausgedehnten National Military Park mit einem interessanten Museum besuchen. Am 4. Juli 1863 errang im amerikanischen Bürgerkrieg die Union durch die Einnahme der Stadt nach einer fast eineinhalbmonatigen Belagerung einen wichtigen Sieg. Zusammen mit der nur wenig späteren Einnahme von Port Hudson gewann sie die Herrschaft über den Mississippi und damit die Kontrolle über die wichtigste Kommunikations- und Nachschublinie der Konföderierten (Wiki). Auf einer gewundenen Strasse kann man das hügelige Gelände erkunden und entlang der ausgedehnten Befestigungsstellungen und Schützengräben fahren, die durch unzählige Tafeln gekennzeichnet sind, auf denen minutiös die an der jeweiligen Stelle kämpfende Einheit verzeichnet ist. Zudem sind seit 1903 von den 32 beteiligten Bundesstaaten, von Veteranengruppen und weiteren über den ganzen Park verteilt über 1’400 Erinnerungszeichen, von einfachen Gedenktafeln bis hin zu riesigen Monumenten, aufgestellt worden, wodurch eine «Erinnerungslandschaft» entstand. Obwohl der amerikanische Bürgerkrieg nicht direkt Teil unserer Geschichte ist, werden auch wir durch die Stimmung, die über diesem Areal liegt, und die gut gemachte Ausstellung zum Nachdenken angeregt über Krieg und Frieden, Erinnerungskultur und was die Menschen dazu bringt, ihr eigenes und das Leben anderer Menschen einzusetzen, um für das zu kämpfen, was ihnen als richtig erscheint.

Zum Schluss besuchen wir das beeindruckende City Class-Panzerschiff «Cairo» (das Museum dazu ist wegen Covid leider geschlossen). Nachdem das 1861 erbaute, mit dicken Eisenplatten gepanzerte und schwer bewaffnete Flussboot 1862 wegen einer Mine gesunken war, erhielt sich ein grosser Teil des Holzes, der Panzerung und Bewaffnung sowie der persönliche Habe der Crew unter Luftabschluss im Schlamm des Yazoo River bis das Schiff 1964 geborgen und konserviert wurde. Der Untergang des Schiffes war ein Glücksfall für die Nachwelt: die überlebenden fünf Boote dieser Klasse waren alle kurz nach Ende des Bürgerkriegs verschrottet worden.

Da unser anvisierter Übernachtungsplatz am Fluss wegen des Hochwassers nicht zugänglich ist, übernachten wir in Refuge (wie passend) bei Greenville, MS auf einem Casino-Parkplatz. Obwohl das Casino direkt an der Grenze zu Arkansas liegt, ist der Mississippi ein Stück entfernt – die Grenzen folgen immer noch dem historischen Verlauf, so dass es heute beidseits des Flusses jeweils kleine Stückchen Land gibt, die zum Staat auf der anderen Seite gehören.

 

Am Morgen fahren wir kurz auf die andere Seite zum Arkansas Welcome Center, um wenigstens kurz die Nase in diesen Bundesstaat gesteckt zu haben. Wir bekommen dort das Gefühl, dass sich ein weiterer, längerer Aufenthalt im «Natural State» durchaus lohnen würde, fahren aber trotzdem wieder auf die Mississippi-Seite, wo ich die Winterville Mounds anschauen möchte. Das Museum ist leider zu, aber ich bekomme trotzdem einen ersten Eindruck von den Erdpyramiden und Plazas der Mississippi-Kultur (ca. 800-1600 AD; die zahlreichen Fundorte sind im Staat Mississippi im Mississippi Mound Trail zusammengefasst).

Kurz nach der Überquerung der Staatsgrenze zu Tennessee schlagen wir unser Lager im T. O. Fuller State Park südlich der Stadt Memphis auf. Netterweise bekommen wir eine Preisreduktion, da bei unserem Platz das Wasser nicht funktioniert. Wir sind nun schon gut 600 km nördlich von New Orleans, trotzdem ist es hier nicht nur heiss (37 °C), sondern auch noch feucht. Am Tag schwirren die Moskitos durchs Unterholz, die Nacht wird durch Scharen von Glühwürmchen verschönert. Wir müssen dringend wieder einmal waschen, wobei wir feststellen, dass die Kissenbezüge und das Leintuch stellenweise so fadenscheinig geworden sind, dass der Stoff zu reissen beginnt. Zum Glück haben wir noch Ersatz (unsere Masse sind ein bisschen klein für die USA…).

 

Der State Park liegt günstig, so dass wir von hier aus verschiedene Sehenswürdigkeiten besuchen können: Elvis’ Anwesen Graceland (dazu verschiedenen Ausstellungen zum «King» in einem riesigen Besucherkomplex mit thematischen Ausstellungen und Archiv, Souvenirshops und Restaurants auf der anderen Strassenseite), die Old Dominick Destillery (trotz des Namens erst 2017 gegründet, die traditionellen Tennessee Whiskey-Destillerien befinden sich weiter östlich und können auf einem «Whiskey Trail» erkundet werden), Downtown Memphis und die Beale Street (mit Zmittag im atmosphärischen Silky O’Sullivan’s, dem „Father of Barbecue“ – die Spare Ribs dünken uns allerdings etwas trocken), den riesigen Bass Pro Shop in der Memphis Pyramid und – für mich besonders interessant – das gleich beim State Park gelegene Chucalissa (Choctaw für «Verlassenes Haus»), eine weitere kleine Stadt der  Mississippi-Kultur mit diesmal offenem Museum. Dazwischen sollte ich auch noch die Reise für den EMYA-Judge organisieren und verzweifle fast: Obwohl der State Park in einem Vorort von Memphis liegt, ist das Internet zum Schreien langsam (das Wifi vom State Park – falls es hier überhaupt eins gibt – nutzen wir gar nicht, sondern unser Google Fi, aber trotz grundsätzlich gutem Empfang ist das Netz komplett überlastet und die Up- und Download-Geschwindigkeiten sind unterirdisch).

 

Nach fünf Tagen geht es weiter, mit nächstem Ziel St. Louis. Die Gegend wird langsam etwas hügeliger und bewaldeter. Wir kreuzen den «Trail of Tears», eine Route, auf der die Cherokee ins heutige Oklahoma umgesiedelt wurden (interessante Aspekte dazu), und wenig später die Route von Lewis & Clark. Hier, beim ehemaligen Fort Jefferson bei Wickliffe, KY steht seit 1994 das riesige «Fort Jefferson at the Confluence Memorial»-Kreuz, das hoch über dem Zusammenfluss des Mississippi mit dem Ohio aufragt und von den umgebenden Bundesstaaten Missouri, Illinois und Kentucky aus gesehen werden kann.
Nachdem wir die grandiose Aussicht genossen und festgestellt haben, dass der Ohio erheblich grösser ist als der Mississippi, begeben wir uns nach Illinois in den Fort Defiance State Park am Zusammenfluss der zwei mächtigen Ströme, wo sich schon Lewis und Clark mit dem Corps of Discovery auf ihre Reise gen Westen vorbereitet haben.
Freundlicherweise darf man hier übernachten – falls er nicht unter Wasser steht. Momentan ist er trocken und wir verbringen den Abend und nächsten Morgen damit, die Lichtstimmungen über den zwei mächtigen Strömen zu bewundern und die zahlreichen Schubverbände zu beobachten, die die Güter flussauf und -ab transportieren und deren Frachten hier teils auch zwischengelagert und neu zusammengestellt werden. (Wir lernen später, dass unter anderem Getreide, Altmetall, Kohle, Mineralölerzeugnisse, Salz, Dünger, Zement, Schwefel und Zucker transportiert werden und ein 600 ft (365 m) langer Standard-Schubverband mit 15 Lastkähnen die Transportkapazität von 870 Sattelschleppern hat).

 

Der Mittlere Mississippi: Cairo, IL bis St. Louis, MO

Mit der Einmündung des Ohio beginnt das nur 310 km kurzen Teilstück des Mittleren Mississippi, der bis zur Einmündung des Missouri reicht. Wir fühlen uns – zumindest namenmässig – ganz ins Alte Ägypten versetzt, nachdem wir in Memphis, TN waren, nun in Cairo, IL sind und Theben, IL auch nicht weit weg ist…
Cairo ist so tief gelegen, dass die Stadt von Levees umgeben ist. Man kann an der Architektur noch sehen, dass die Stadt einmal prosperiert hatte, durch die Änderung der Verkehrsrouten, die Weiterentwicklung der Flussschiffahrt und langewährende Rassenunruhen ist sie heute jedoch fast aufgegeben und macht einen desolaten Eindruck. Auf der Weiterfahrt kommen wir dann aber durch viele hübsche kleine Städtchen (u.a. Chester, IL, die Heimatstadt von Popeyes Erfinder E. C. Segar) und erhaschen sogar einmal einen ersten, direkten Blick auf den Mississippi direkt von der Strasse aus.

Bald erreichen wir St. Louis, MO, wo wir uns endlich einen kleinen Generator zulegen (190 $ bei Tractor Supply). Nun fühlen wir uns so richtig «amerikanisch»: Auf den Platz fahren, Generator auspacken und bis zur Ruhezeit poppeln lassen… 😉
Es geht aber natürlich nicht um die Soundkulisse, sondern um unsere Unabhängigkeit. Und nicht zuletzt gibt es hier auch State Parks und andere Übernachtungsmöglichkeiten, die keinen Stromanschluss haben. (Den Entscheid für den Generator hatten wir auf dem Casinoparkplatz in Greenville, MS gefasst, als die Batterie um 2 Uhr nachts leer war und Ozy den Motor eine Stunde lang laufen lassen musste, damit wenigstens der Kühlschrank genug Strom hat…).

Im Horseshoe Lake State Park auf der Illinois-Seite können wir zwei Tage günstig übernachten (wieder mit vielen Glühwürmchen, juhu!). Als Highlight für mich besuchen wir die Cahokia Mounds vis à vis von St. Louis (eine UNESCO World Heritage Site). Ich mache eine Ranger-Führung mit und anschliessend verbringen wir ein paar Stunden im Museum, wo wir viel Interessantes lernen: «Cahokia» (eine spätere Benennung, der richtige Name ist nicht überliefert) erlebte ihre Blüte zu Beginn des 12. Jahrhunderts AD und war die grösste und einflussreichsten Stadt der Mississippi-Kultur – leider kennt man in Europa aber nur die zu einer ähnlichen Zeit prosperierende Pueblo-Kultur und natürlich die präkolumbianischen Städte in Mexiko. Allerdings muss auch ich zugeben, dass die überlebenden grasbewachsenen, in der Landschaft verstreuten Hügel verschiedener Form nicht ganz so spektakulär wirken wie die Pueblos im Südwesten der USA oder die Steinpyramiden im südlichen Nachbarland. Der Park, in dem sich 72 der ehemals 120 Hügel, ein rekonstruierter Teil der Palisade sowie ein rekonstruierter Woodhenge befinden, ist 390 ha/4 km2 gross und bewahrt damit etwa einen Viertel der ehemaligen Siedlungsfläche (die meisten Hügel und Strukturen sind im Laufe der Zeit durch den Ackerbau verschwunden und auch im Park sind nur noch wenige sichtbar erhalten). Das interessante und anschauliche Museum gibt aber einen guten Eindruck von der ehemaligen Stadt an strategisch wichtiger Position in der Nähe der Zusammenflüsse von Mississippi, Missouri und Illinois und ihren geschätzt bis zu 40’000 Bewohnern.

In St. Louis besuchen wir den sehr beeindruckenden und einfach ästhetischen Gateway Arch mit Park mit Museum (um mit dem Lift im Innern des Bogens hinaufzufahren müsste man lange im Voraus reservieren, besonders jetzt, da wegen Covid die Kapazitäten limitiert sind…) sowie die nicht minder beeindruckende, 1852 gegründete Anheuser-Busch Brauerei. Der Komplex mit mehreren historischen Gebäuden ist gleich ein ganzer National Historic Landmark District (quer durch das Gelände führt übrigens die Pestalozzi Street). Auf einer geführten Tour bekommen wir einige der mächtigen Clydesdales in ihrem historischen Stall zu sehen (auch hier könnte man – mit gebührend langer Vorreservation – die Farmen besuchen, wo die Pferde gezüchtet werden und ihren Urlaub verbringen) und dann natürlich in erster Linie die architektonisch liebevoll gestaltete Brauerei (Ozy freut sich besonders am schönen Bevo-Gebäude, das überall mit dem Markenzeichen Renard the Fox verziert ist). Beeindruckt haben uns vor allem auch die riesigen Stahltanks, wo das Lagerbier zusammen mit Birkenholzschnitzeln ruht (beechwood aging process, der die Hefe bindet). Die Tour dauert etwas länger, da wir zwischendurch ein heftiges Gewitter abwarten müssen. Zum Abschluss können wir uns ein Bier vom Hahn aussuchen und bekommen zusätzlich je noch eine Flasche Bud Light mit auf den Weg. Im zugehörigen «Biergarten» (heisst wirklich so) gönnen wir uns noch ein sensationelles Dessert aus frittierten, gezuckerten und mit Karamelsauce gereichten Bretzeln! (Kalorienmässig die Ration für eine halbe Woche…)

 

Die immer wieder auftretenden starken Regenfälle haben dafür gesorgt, dass Mississippi und Missouri schnell ansteigen (die Parkplätze entlang des Flusses sind schon mal provisorisch gesperrt worden). Der «Ted» and Pat Jones-Confluence Point State Park steht denn auch teilweise unter Wasser. Auf dem Weg zur Spitze der Landzunge rutsche ich auf dem seifigen Schlamm aus und schlage mir das Knie auf… Zum Glück ist ausser dem Stolz sonst nichts gröber verletzt.
War der Ohio grösser als der Mississippi, ist der «Big Muddy» Missouri nun etwa gleich gross. Doch ist er es, der dem Mississippi für den Rest des Weges die braune Farbe verleiht – und aktuell noch grosse Mengen an Schwemmholz mitgibt. Der Anblick der Wassermassen, die hier zusammenkommen, ist wieder sehr beeindruckend!

 

Der Obere Mississippi: St. Louis, MO bis Minneapolis, MN

Da der Fluss ab hier oftmals zu wenig Wasser führte, wurden die rund 1000 km von St. Louis bis Minneapolis nach 1930 durch den Einbau von 29 Dämmen und Schleusen schiffbar gemacht, so dass der Mississippi nun aus einer Folge von Seen besteht. Zwischen den Seen gliedert sich der Fluss in eine Hauptrinne mit genug Wassertiefe und zahlreiche Nebenarme, die durch Sandbänke und Inseln voneinander getrennt sind. (Am Oberlauf, oberhalb von Minneapolis, wurden weitere 14 Dämme eingebaut, die aber nicht mehr der Schiffbarmachung, sondern der Energiegewinnung oder der Bildung von Seen für Erholungszwecke dienen).

Wir finden ein Plätzchen im hügeligen, mit Wäldern, Seen und Bächen durchzogenen Cuivre River State Park nördlich von St. Louis, wo wir gleich drei Nächte bleiben, um uns vom Sightseeing der letzten Tage zu erholen. Ozy erledigt in dieser Zeit kleinere Arbeiten und montiert den grossen Pickel am Dachträger, so dass er gut zugänglich ist, falls wir ihn mal wieder brauchen sollten (im Big Bend hatten wir mit dem Kleinen Vorlieb nehmen müssen, da der Grosse so gut verstaut war…).

Über – in Missouri mit Buchstaben bezeichnete – State Highways fahren wir wieder zurück zum Fluss und zur Great River Road.
In Clarksville, MO können wir von einer Besucherplattform aus beobachten, wie ein Schubverband durchgeschleust wird. Da die 1940 fertiggestellte Lock & Dam No. 24 dafür gebaut ist, einen damaligen Standardverband von 600 ft Länge zu beherbergen, müssen die heutigen, bis zu 15 Lastkähne umfassenden und 1200 ft langen Verbände aufgeteilt werden, was das ganze Prozedere bis zu zwei Stunden dauern lässt. 

Die Landschaft wird allmählich hügeliger. Es gäbe immer wieder einmal Ausfahrten für «Scenic Views», doch geben wir den Versuch bald auf, einen schönen Blick auf den Mississippi zu erhaschen, da die Aussichtspunkte mittlerweile fast komplett zugewachsen sind.

 

Unser nächstes Ziel ist Hannibal, MO, das durch die Geschichten von Samuel Langhorne Clemens – besser bekannt als Mark Twain – Unsterblichkeit erlangte (dort unter dem Namen St. Petersburg). Wir finden einen Platz auf dem Camping bei den Mark Twain Caves, und machen eine spannende und kurzweilige Tour durch die Höhle mit. Die Karsthöhle, in der sich in der Geschichte Tom Sawyer und Becky Thatcher verlaufen haben, hat sich in einem mit schachbrettartigen Rissen durchzogenen Kalksteinfelsen gebildet. Der allergrösste Teil ist heute trocken, die Wände sind geschichtet abgetragen und wirken dadurch gleichzeitig weich und gezackt. Diese Höhle ist so ganz anders als alle, die wir kennen. Überall stösst man auf quer verlaufende Passagen, Säulen und Durchschlüpfe. Ohne Führer könnte man sich hier wohl sehr lange verweilen… Wir bekommen «Jesse James Hideout» und den «Schatz von Injun Joe» zu sehen (beides nachgestellt, Jesse James hat sich aber tatsächlich hier versteckt). An den Wänden befinden sich unzählige eigeritzte oder mit Russ und Beerensaft an die Wände geschriebene Signaturen früherer Besucher (u. a. von Samuel Clemens selbst, erst 2019 entdeckt) und von Höhlentouristen, die damals dazu ermuntert wurden, sich zu verewigen. – Heute ist es natürlich strengstens verboten…
Ich bin so begeistert von der Höhle, dass ich gleich noch die Taschenlampenführung in der nahegelegenen Cameron Cave mitmache, die ähnliche geologischen Besonderheiten aufweist. Man könnte hier noch viel entdecken, hat Missouri doch über 7’500 bekannte Höhlen…

Der nächste Tag ist Hannibal und Mark Twain gewidmet. In der Historic Downtown befinden sich das (sich vor allem den Werken widmende) Mark Twain Museum bzw. das Mark Twain Boyhood Home & Museum; letzteres mit Häusern, in denen der junge Samuel Clemens und seine Familie gelebt haben bzw. die mit ihm in Zusammenhang stehen.
Ganz zufällig sind wir gerade während der National Tom Sawyer Days in die Stadt gekommen, wodurch wir die «Fence Painting Competition» erleben können. Diese wurde in Anlehnung an die witzige Episode kreiert, in der Tom Sawyer als Strafe den Zaun weisseln sollte und es so hinbekommt, dass ihn seine Freunde mit allen möglichen Kostbarkeiten entschädigen, um den Zaun für ihn streichen zu dürfen. Es ist so herzig zu sehen, wie die kleinen, meist im Stil von Tom Sawyer bzw. Becky Thatcher gekleideten Jungen und Mädchen von ihren Eltern angefeuert voller Eifer ihr Stück Zaun bepinseln. Bewertet werden Zeit, Qualität und Kostümierung, als Richter amten unter anderem die offiziellen Tom Sawyer und Becky Thatcher, die jedes Jahr in einem aufwändigen Prozess unter den 12jährigen Schülern der 7. Klasse ausgewählt werden und während eines Jahrs die Stadt Hannibal und Mark Twain repräsentieren.
Gleichzeitig findet auch gerade noch das 42. Mississippi Mud Volleyball Turnier statt und wir nähern uns dem 4. Juli, dem Nationalfeiertag der USA. In Hannibal wurde die Parade einen Tag vorgezogen, so dass am nächsten Morgen, als wir auf der Hauptstrasse aus der Stadt fahren, ganz viele erstaunte Zuschauer unser Gefährt bewundern…

 

Statt auf die Great River Road geht es nun zunächst direkt nach Westen, ins rund 150 km entfernte Marceline, MO. Ozy hatte vor zwei Tagen eine sehr nette, spontane Einladung von einem anderen TDR-Mitglied erhalten, das auf unserer Website gesehen hatte, dass wir ganz in der Nähe sind! Bud meinte, dass wir uns doch zuerst die Stadt anschauen sollten, in der Walt Disney einen Teil seiner Jugend verbracht hat, und dann bei ihm und seiner Familie übernachten könnten. Wir freuen uns sehr über die liebe Einladung und fahren nach Marceline, wo wir uns das Walt Disney Hometown Museum, das im ehemaligen Santa Fe Railroad Depot untergebracht ist, das hübsche Städtchen, dessen Hauptstrasse die Vorlage für die Main Street USA im Disney World diente, sowie die Stelle von Walt Disneys Dreaming Tree und den rekonstruierten Schuppen auf dem ehemaligen Gelände der Disney-Farm ansehen.

Danach fahren wir zum Haus von Bud und seiner Frau Deb, das auf der ehemaligen Farm von Debs Eltern liegt. Wir werden gleich in die Familie aufgenommen und lernen ihre liebe Mutter Norma und ihre Tochter Erin mit ihrem Mann kennen. Bud war früher Lehrer in der Walt Disney Elementary School in Marceline und beschäftigt sich nach seiner Pensionierung unter anderem mit seinen RAMs. Er hat nicht nur eine tolle Werkstatt, sondern schweisst auch wie ein Profi, was Ozy gleich ausnützt:  Zusammen bauen die beiden innert kürzester Zeit einen anständigen Halter für den Generator.
Wir fühlen uns so wohl bei ihnen, dass wir gerne ihre Einladung annehmen, doch auch noch für den 4th of July zu bleiben. Sie nehmen uns mit nach Marceline, wo wir die Nationalfeiertags-Parade miterleben dürfen. Für uns ist es herzerwärmend zu sehen, wie in dieser Kleinstadt die eine Hälfte die Parade zu bestreiten scheint, während die andere Hälfte ihr zujubelt. Oben an der Strasse macht die Parade kehrt und dann kommt der ganze Konvoi bestehend aus Polizei, Feuerwehr, Country Dance Club und weiteren Verbänden, Clubs und Familien in Autos und auf geschmückten Wagen, Harleys, Hot Rods, Quads, Traktoren und Pferden Süssigkeiten in die Menge werfend, wieder zurück. Nach der Parade fahren wir ins Haus zu einem feinen Znacht und verbringen einen schönen Abend zusammen. Es ist so gemütlich und irgendwann sind wir alle so müde, dass wir nicht einmal zum offiziellen Feuerwerk fahren mögen.

Am nächsten Morgen nehmen wir Abschied von dieser lieben Familie. Es war eine wunderbare Zeit, wofür wir Euch von ganzem Herzen danken!

 

Wir fahren wieder zum Mississippi und gelangen bald nach Keokuk, IA, das gerade hinter der Grenze liegt. Hier dürfen wir für 16 Dollar auf dem städtischen Stellplatz direkt am Ufer des Mississippi stehen bleiben (Elektrizität und Grill vorhanden). Diese Möglichkeit nehmen wir gerne in Anspruch, nicht ahnend, dass es sich wegen des nahen Rangierbahnhofs nicht gerade um den ruhigsten Platz handelt… Dafür haben wir eine schöne Aussicht.
Nach einem Drink im Southside Boat Club besuchen wir die alte doppelstöckige Keokuk Brücke, von der man einen guten Blick auf den mächtigen Lock & Dam No. 19 mit Elektrizitätswerk hat (erbaut 1910-13; die Schleuse wurde 1957 erneuert und an den 1200 ft/15 barges-Standard angepasst).

Am nächsten Tag fahren wir noch mal schnell zurück nach Missouri, weil dort die Zigaretten billiger sind, bevor wir den Mississippi überqueren, um Nauvoo auf der Illinois-Seite zu besuchen. Die von den Mormonen gegründete und von 1840-45 bewohnte Stadt ist ein wichtiger Ort für die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, da hier deren Gründer Joseph Smith ermordet wurde und in der Folge ein Teil der Gemeinschaft unter Apostel Brigham Young nach Westen aufbrach, um in noch fast unbewohntem Gebiet die Stadt Salt Lake City zu gründen. Wir fahren am rekonstruierten Grossen Tempel und zahlreichen alten Häusern vorbei und besuchen das Museum im Visitor Center, wo wir einiges über die Church of Jesus Christ of Latter-day Saints lernen, uns als Nicht-Mormonen aber irgendwie fehl am Platz fühlen. Wir verlassen den Ort dann auch, ohne uns eines der Freilufttheater anzusehen oder mit der Pferdekutsche durch die Strassen geführt zu werden.

Über die – zur Bauzeit – längste Doppeldecker-Dreh-Fachwerkbrücke der Welt (unten Zug, oben wir) geht es nach Fort Madison auf der Iowa-Seite. Hier fahren wir durch das hübsche historische Zentrum, werfen einen kurzen Blick von aussen aufs (Montag und natürlich auch heute Dienstag geschlossene) Old Fort Madison und passieren das historische Staatsgefängnis von Iowa. Wir überqueren den Iowa River und fahren bei Bettendorf, IA erneut über den Mississippi. Auf der Illinois-Seite liegt Moline, wo sich das John Deere-Hauptquartier befindet. Die Stadt ist dann auch entsprechend «grün», leider sind aber alle Attraktionen (Museum und Factory Tours) wegen Covid ausgesetzt… ☹

Be Rapids City, IL kreuzen wir Ozy’s Roadtrip von Bangor nach Salt Lake City im August 2019 und finden bald darauf einen schönen Übernachtungsplatz im Illiniwek Forest Preserve. Hier bleiben wir gleich zwei Nächte, damit ich einen Tag wandern gehen kann. Der Wald ist von Wanderwegen und Trails durchzogen, die tageweise wechselnd im Einbahn-System befahren/begangen werden können, damit sich niemand in die Quere kommt. Der Wald ist voller Pilze und ich meine, Eierschwämme zu erkennen. Ich lasse aber vorsichtshalber dann doch die Finger davon (abgesehen davon, dass es das Sammeln im Forest Preserve vermutlich eh nicht erlaubt wäre…).

 

Von Savanna, IL an werden die Flussufer immer steiler und die Strasse verläuft entlang hoher Sandsteinklippen oder weg vom Fluss über die Hügel. Wir durchqueren das sehr hübsche Galena (wo der Unionsgeneral und spätere Präsident Ulysses S. Grant wohnte) und sehen den Mississippi das nächste Mal von der Brücke aus als wir bei Dubuque, IL auf das rechte Ufer wechseln. Eindreiviertel Stunden später gelangen wir in Pairie du Chien wieder auf die linke Seite und sind damit in Wisconsin. Das Wetter hat sich zunehmend verschlechtert, es ist nur noch 22 Grad. Trotzdem können wir im Black Hawk Park Campground, der an einem breiten Nebenarm des Mississippi liegt und sogar einen Badestrand hätte, noch einen schönen Abend geniessen. 

Bei La Crosse, WI überqueren wir den Mississippi erneut und gelangen dadurch in den zehnten und letzten Bundesstaat: Minnesota. Bereits seit geraumer Zeit sind wir immer wieder auf Hinweise zu den Bald Eagles gestossen, die von Dezember bis März entang des Mittleren Mississippi überwintern (offenbar schätzen sie unter anderem die durch die Dämme etwas verwirrten und damit leicht zu fangenden Fische…). Zumindest was das Beobachten dieses Nationalsymbols angeht sind wir voll zur falschen Zeit unterwegs. Glücklicherweise gibt es aber in Wabasha, MN das National Eagle Center, wo es ausser einer spannenden Ausstellung über Raubvögel im Allgemeinen lebende Bald Eagles ganz aus der Nähe zu sehen gibt. Diese können aus diversen Gründen (schlecht verheilte Brüche, nur ein Auge) nicht mehr in die Wildnis entlassen werden und dienen nun hier als «Botschafter» für ihre wilden Artgenossen.

 

Minnesota erscheint uns als Reisenden zunächst als eher unfreundlicher Staat. Ausser auf Campingplätzen ist übernachten staatsweit verboten, sogar beim Walmart. Gleichzeitig finden wir die Campgrounds recht teuer, müssen wir doch im St. Croix Bluffs Regional Park für einen simplen Zeltplatz ohne Strom und Wasser 30 $ bezahlen (inkl. der obligatorischen Day Use Fee von 7 $).

Als wir den Mississippi wieder überqueren, erscheint er uns plötzlich recht klein. Auch die Great River Road beschränkt sich ab Hastings, MN nur noch auf eine einzige «Spur», die sich teils in engen Schlaufen rechts und linksufrig um den Fluss windet. Wir nähern uns den Twin Cities Minneapolis und Saint Paul auf dem östlichen Ufer, wo wir versuchen, dem East River Parkway entlang der Mississippi Schlucht zu folgen (versuchen, weil wir uns erst einmal ein paar Mal verfahren, bis wir ihn finden, und dann, weil es zahlreiche Baustellen mit Umleitungen gibt, an denen wir fast verzweifeln. Dazu kommen noch dichter Fahrradverkehr und zahlreiche Fussgänger, die es uns auch nicht einfacher machen). Der Parkway, der auf einer Seite von schönen Grundstücken gesäumt ist, bietet leider nicht den erhofften Blick auf die Mississippi River Gorge, weil er – wie üblich – komplett zugewachsen ist. Immerhin sehen wir dann noch den hübschen Campus der University of Minnesota und gelangen relativ schmerzfrei auf die Nicollet Island, wo wir unser Auto stehen lassen können, um den Saint Anthony Falls Heritage Trail zu laufen. Auf diesem Rundweg erfährt man viel Interessantes über die Geschichte von Minneapolis, die eng mit den Saint Anthony Falls, den einzigen nennenswerten Wasserfällen des Mississippi, und der sich daraus entwickelnden Industrie (Umladestation, Säge- und andere Mühlen, Energiegewinnung) verbunden ist. Wir besichtigen auf dem Weg auch die letzte (bzw. erste) Schleuse, die mit 15 m ehemals den höchsten Höhenunterschied überbrücken musste. 2015 ist die Schleuse dicht gemacht worden, um die Verbreitung des invasiven Asiatischen Karpfens zu stoppen. Seitdem ist der Mississippi nicht mehr bis zum 21 km flussaufwärts gelegenen Coon Rapids Damm, sondern wieder «nur» noch bis Minneapolis schiffbar (immerhin noch eine stattliche Länge von rund 2’900 km…).
In der Stadt gehe ich zum ersten Mal in einen Whole Foods Market einkaufen. Sie haben sehr feine Sachen, aber der Preis… Wir beschränken uns wohl doch lieber auf Safeway u.a. (wo vorhanden). Dafür können wir uns im Outlet in Albertville, MN etwas günstiger mit neuen Crocs eindecken – meine sind nach 4 Monaten schon wieder komplett durchgelaufen.

 

Der Oberlauf des Mississippi: Minneapolis, MN bis zur Quelle

Hinter den Saint Anthony Falls beginnt der Oberlauf des Mississippi, der sich noch über 793 km erstreckt. War der Mississippi vor kurzem noch vergleichbar mit dem Rhein, ist er oberhalb von Minneapolis vielleicht noch so gross wie die Limmat. Und bei jeder Überquerung scheint er uns wieder ein beträchtliches Stück kleiner zu sein.

Jetzt, da es nur noch eine «Spur» gibt, wird die Great River Road ein bisschen unübersichtlich. Es ist auch schon späterer Nachmittag und wir sollten einen Übernachtungsplatz finden. Es gibt nicht allzu viele Möglichkeiten, doch eine gute halbe Stunde entfernt liegt der Pillsbury State Forest, wo es ein paar Campgrounds hat – zumindest theoretisch… Zunächst einmal stellt es sich als schwierig heraus, einen Menschen zu finden, der uns Auskunft geben kann. Schliesslich finden wir einen Camphost, der uns freundlich informiert, dass es Wochenende und damit alles voll sei! Was nun? Es ist schon nach sechs Uhr abends und wir sind vom Sightseeing (und Shopping) sowie vom Fahren rechtschaffen müde. Zu guter Letzt beschliessen wir, uns einfach im State Forest zu verschlaufen. Wir wollen ja nicht campen, sondern einfach nur ungestört übernachten. Wir haben Glück und finden einen Platz, auch wenn er alles andere als ungestört ist – wir haben Nachbarn. Eine ganze Gruppe von Einheimischen (Indianern?), die hier ebenfalls mit ihren Fahrzeugen stehen und zusammen mit ihren stetig bellenden Hunden Party machen. Oh well. Es ist ja nur für eine Nacht. (Zu alldem stellt sich heraus, das die Lichtung mit Zecken verseucht ist. Und im Gegensatz zu den Moskitos ziehen die Viecher mich Ozy vor. Eine erwischen wir noch auf meinem Bein herumkrabbeldn, die andere finden wir erst am nächsten Abend, als sie sich schon in meinen Bauch verbissen hat… Iiiiieeeek!!!)

Am nächsten Tag ziehen wir weiter und sind ganz beschwingt: Heute werden wir nach 25 Tagen die Quelle des Mississippi sehen! Auf direktem Weg wäre es ein Katzensprung: Das Headwaters Monument im Lake Itasca State Park ist nur noch 160 km / 2 h entfernt!  
– Allerdings nur auf direktem Weg…
Wir wollen so kurz vor dem Ziel natürlich nicht aufgeben, sondern noch so weit als möglich dem Fluss entlang fahren, was noch 200 km und zweieinhalb Stunden mehr ergibt (wir haben uns in mühevoller Kleinarbeit auf Google Maps Punkte gesetzt, um im Gewirr der immer kleiner werdenden Strassen den Überblick zu behalten. Es hilft auch, wenn wir wieder mal eine Tafel der Great River Road übersehen, was ab und zu vorkommt…). Die Gegend ist immer stärker bewaldet, Rot- und Weymouthkiefer haben die südlicheren Spezies ersetzt und wir sehen auch immer mehr Birken, was uns in eine ganz nordische Stimmung versetzt. Ab und zu erhaschen wir einen Blick auf den Mississippi, der sich nun als kleines, braunes Flüsschen ganz gemächlich zwischen baumbestandenen Sandbänken hindurchwindet.

Nach gut zwei Stunden erreichen wir Grand Rapids, MN, wo wir unsere Vorräte aufstocken wollen, um ein paar Tage im Lake Itasca State Park bleiben zu können. Auf dem Parkplatz treffen wir Kathleen, die interessiert die Details unseres Campers betrachtet. Wenig später kommt ihr Mann Kurt hinzu und wir unterhalten uns angeregt. Sie werden in Kürze ihren ersten Campervan beziehen können und freuen sich schon riesig darauf. Nachdem wir auf dem langsam doch recht heissen Walmart-Parkplatz (wir haben wieder Temperaturen bis zu 28 Grad) ein Weilchen über das Overlanding gefachsimpelt haben, laden sie uns ganz spontan zu sich nachhause ein. Minnesota wird uns auf einen Schlag viel sympathischer und wir verstehen auch endlich den Ausdruck Minnesota Nice!
Nachdem wir eingekauft und eine kurze Stadtbesichtigung gemacht haben (zum Beispiel stammt Frances Ethel Gumm, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Judy Garland aus Grand Rapids), fahren wir zur Adresse, die sie uns gegeben haben. Diese entpuppt sich als wunderschönes Haus direkt am Ufer des Trout Lake! Wir verbringen einen entspannenden und mit angeregten Diskussionen angefüllten Nachmittag und Abend auf dem und am See. Kathleen und Kurt verwöhnen uns mit einem feinen Nachtessen und ich bekomme sogar noch einen superben Single Malt Whisky kredenzt (Kurt ist ein grosser Whiskykenner mit einer tollen Sammlung!). Am nächsten Morgen nimmt mich Kathleen mit zum Kajaken und wir können Biber und spielende Otter beobachten. Nach einem von Kurt zubereiteten, exzellenten Zmorgen und weiterem Fachsimpeln verlassen wir unsere neuen Freunde dann schliesslich gegen Mittag. – Vielen herzlichen Dank für die liebe Einladung und alles Gute auf Euren Reisen mit Juny!

 

Auf dem Weg hatte ich gestern Wegweiser zum Forest History Center gesehen, aber als wir diesem auf der Weiterfahrt einen Besuch abstatten wollen, ist es natürlich gerade wieder einmal nicht offen… (nur von Mi-Sa).
Aber wir wollen ja heute sowieso zum Lake Itasca! Der Name wurde dem See übrigens 1832 von seinem «Entdecker» Henry Schoolcraft verliehen, der vom Ojibwe Ozaawindib zum See geführt wurde (von den Ojibwe wurde der See Omashkoozo-zaaga’igan, Elk Lake, genannt). Den Namen setzte Schoolcraft aus den aus den lateinischen Wörtern veritas caput («wahrer Anfang») zusammen, möglicherweise, um weiteren Diskussionen bezüglich der Quelle des Mississippi zuvorzukommen – witzigerweise hat ausgerechnet dieser mächtige Fluss bis heute keine eigentliche Quelle, sondern beginnt einfach offiziell beim Ausfluss aus dem See (der seinerseits von mehreren weiteren kleinen Bächen gespeist wird, die im Sommer aber manchmal trocken fallen).

Wir folgen also weiter so gut als möglich dem Mississippi, der im flachen Land kräftig mäandert, und erblicken auf dem Weg unzählige kleine und grosse Seen, von kleineren Gewässern bis zum riesigen Stausee Lake Winnibigoshish, wo der Mississippi mit rund 18 km seine grösste Breite erreicht – nicht umsonst wird Minnesota auch «Land der 10’000 Seen» genannt (es sind sogar 11’842).  

 

Dann endlich ist es so weit: am Montag, 12. Juli um 15:41 Uhr erreichen wir die offizielle Quelle des Mississippi! Wir freuen uns gebührend und plantschen zur Feier des Tages gleich mit nackten Füssen im angenehm temperierten Bächlein herum.

 

Was wir am Lake Itasca und auf dem Rückweg nach Las Vegas alles gesehen und erlebt haben, gibt’s dann im nächsten Blog zu lesen!

Kommentare sind geschlossen.