Auf der Flucht vor dem Schnee – Tennessee bis Savannah, GA

Auf der Flucht vor dem Schnee – Tennessee bis Savannah, GA

Wir machen es wie die Zugvögel und begeben uns nun Richtung Südosten, mit Endziel Florida.
Aber natürlich nicht, ohne auf dem Weg die eine oder andere Sehenswürdigkeit „mitzunehmen“.

Nach dem Abschied von unseren Freunden in Franklin, KY überqueren wir am 29. Dezember bald die Grenze nach Tennessee und stellen uns auf den Parkplatz beim Old Hickory Lock and Dam nordöstlich von Nashville. Es ist trüb – und 19 Grad warm!

Am nächsten Tag fahren wir voll motiviert nach Nashville, um uns das Kunstmuseum (zwei interessante Sonderausstellungen) und die berühmte Stadt anzusehen – nur um festzustellen, dass kein bzw. kein bezahlbarer Parkplatz zu haben ist (10 Dollar für 20 Minuten finden wir dann doch ein bisschen viel…)! Genau heute findet offenbar ein College Football-Spiel in der grossen Nissan-Arena auf der anderen Flussseite, vis à vis vom Zentrum, statt. Die Strassen sind überfüllt mit Autos und mit in der Lokalfarbe Orange gekleideten Fussgängern.
Wir trösten uns mit einer Fahrt durch Downtown (aufgrund des Dauerstaus kann auch Ozy zur Abwechslung die Aussicht geniessen) und statten dann dem Parthenon einen Besuch ab.
Ja, richtig gelesen! Wir sind nicht mal eben schnell nach Athen geflogen, sondern bewundern den 1:1 Nachbau im Centennial Park (genaugenommen ist es eine Rekonstruktion des Parthenon, da das Original im 17 Jh. bei einer Pulverexplosion schwer beschädigt wurde). Der aktuelle Zement-Bau von 1929 ist auch schon wieder ein Nachbau der Holz-Putz-Konstruktion, die anlässlich Tennessees 100 Jahr-Feier im Jahr 1897 errichtet wurde. Er beherbergt heute das Kunstmuseum.
Wir hatten ja gedacht, dass alle Menschen am Football-Game seien. Falsch gedacht! Diejenigen, die nicht in Downtown herumwuseln, sind hier… Wir begeben uns erst mal ans Ende der Schlange und warten und warten. Irgendwann sehen wir die Tafel mit den Eintrittspreisen und realisieren gleichzeitig, dass sich die Schlange im Gebäude fortsetzt. Das ist es uns nicht wert und wir kehren um.
Irgendwas wollen wir aber doch noch unternehmen…
Also erst mal was essen. Der Besuch bei Burger King wird uns in Erinnerung bleiben, da wir dank des engagierten Mitarbeiters das Gebäude statt mit dem Bestellten schliesslich mit viel mehr verlassen, als wir eigentlich wollten – und das für weniger Geld. Dank seiner Jonglierens verschiedener Spezialangebote erhalten wir schliesslich für knapp 17 Dollar 3 Whopper, 2 Portionen Pommes und 2 Getränke! Wer soll das alles essen…
Sehr gestärkt beschliessen wir anschliessend, ins Kino zu gehen. Da hat es sicher keine Leute heute.
Aber auch hier: Das ausgewählte Kino in einem Vorort liegt bei einer Mall, wo es sich als sehr schwierig herausstellt, einen Parkplatz zu ergattern (wir dachten immer, die Malls seien am Aussterben? Sicher nicht diese!). Der Parkplatz ist gestossen voll, überall lauern Autos und sobald eine Lücke frei wird, wird sie sofort wieder von einem wendigen Mini-PKW gefüllt. Wir haben keine Chance!
Als wir frustriert umkehren wollen, finden wir dann doch noch einen freien Platz und können uns schliesslich in den bequemen Liegesesseln beim neuesten Spiderman von den Strapazen des Tages erholen.

 

Die nächsten Tage bleiben wir dann schön gemütlich auf dem Parkplatz beim Damm. Alles Interessante ist sowieso vom 30. bis mindestens am 2. Januar zu und nach unserer gestrigen Erfahrung haben wir keine Lust, uns ins Getümmel der grossen Silvesterparty in der Stadt zu stürzen.
Langweilig wird es uns trotzdem nicht. Einerseits gibt es ein paar Trails durch den benachbarten Sumpfwald, andererseits können wir den mit Kohle für das oberhalb des Damms gelegene Kraftwerk beladenen Schubverbänden zugucken. Wir witzeln, dass es mehr Energie verbraucht, die Kohle dort hinaufzuschaffen – die Schleuse ist so kurz, dass ein Schubverband drei Schleusendurchgänge und rund 3 Stunden braucht, bis er im wahrsten Sinne des Wortes über den Damm ist. Aus diesem Grund ist der Standplatz auch etwas laut: die Motoren der Schubschiffe laufen natürlich die ganze Zeit. Auch sonst gibt es immer wieder mal Besuch von Fischern und «fahrenden Soundsystemen», aber nach 22 Uhr ist – bis auf das Dröhnen der Schiffsmotoren – meistens Ruhe. Am Morgen werden wir dafür jeweils zwischen fünf und sechs kurz von einer Katzenlady geweckt, die überall Futter verteilt und lautstark ihre Lieblinge ruft. Irgendjemand verstreut zudem noch grosszügig Toastbrot, so dass wir von unserem Standplatz aus Vögel, Squirrels und in der Dämmerung Opossums und Stinktiere beobachten können, die sich über das Futter hermachen.

Ausgerechnet am 31. gibt es eine Flutwarnung. Der starke Regen und Wind dürfte wohl einige Silversterfeuerwerke in Wasser fallen gelassen haben. Wir sind wieder mal froh um unser gemütliches Häuschen! Zum Jahresabschluss geniessen wir ein feines Znacht und trinken ganz dekadent California Champagne aus der Flasche – bei 20 °C Aussentemperatur!!!
Das neue Jahr beginnt gleich stürmisch, mit einer Tornado Watch bei mittlerweile 24 °C, bevor die Temperaturen drastisch sinken und wir sogar ein bisschen Schnee bekommen. – Was für ein verrücktes Wetter!

 

Also schnell weiter nach Süden! Am 3. haben wir sowieso eine Tour bei Jack Daniel’s, dem Produzent des weltweit meistverkauften amerikanischen Whiskeys, gebucht. Je weiter wir gegen Lynchburg kommen, desto höher wird der Schnee. Es sieht wunderschön aus: in der Sonne glitzernde, dick verschneite Bäume vor mit Schäfchenwolken gespicktem stahlblauen Himmel. – Ein Wintermärchen! Allerdings nicht für alle, denn wir sehen rechts und links von der Strasse abgekommene Autos im Graben stehen…

Unser Verdacht, dass Schnee hier nicht so üblich ist, bestätigt sich, als wir bei der Jack Daniel’s Destillery ankommen. Die freundliche Dame im grossen, schön gestalteten und mit kleinem Museum ausgestatteten Besucherzentrum meint, ja, das sei sehr selten und leider könne die Tour deswegen auch nicht wie geplant durchgeführt werden. Aufgrund von Sicherheitsbedenken wegen der Äste, die unter der Schneelast abbrechen könnten, müssen wir, statt zwischen (und in) den Gebäuden herumgeführt zu werden, die Führung in einem Bus absolvieren. Angesichts der frostigen Temperaturen sind wir nicht allzu unglücklich, sehen aber dadurch nicht allzu viel von der Destillerie (wir bekommen auch den halben Preis zurückerstattet). Zum Glück haben wir schon einige Destillerien besucht, doch wäre ein genauerer Blick schon interessant gewesen: Jack Daniel’s produziert nämlich – offenbar im Gegensatz zu allen anderen – die Kohle fürs Filtern des Whiskeys vor Ort (auch im Gegensatz zu allen anderen wird der Whiskey durch eine 3 m dicke Kohleschicht gefiltert). Spannenderweise wird das Holz nicht in einem Meiler verkohlt, sondern im Freien unter einem grossen Rauchfang kunstvoll zu einem Stapel aufgeschichtet und angezündet. Die hohe Kunst ist dann, genau im richtigen Moment zu löschen. Zu früh und das Holz ist nicht vollständig verkohlt, zu spät und es verbrennt zu viel. Es wird wohl drei Mal pro Woche gefeuert, aber es braucht Glück, dass man gerade zu diesem Zeitpunkt da ist; ein Mit-Tourender erzählt, er sei jetzt wohl schon minestens zehn Mal hier gewesen und habe es noch nie gesehen.
Immerhin dürfen wir zum Abschluss wieder einige Whiskeys probieren. Die Verkostung findet stilvoll in einem der Lagerhäuser statt, in dem gläserne Tasting Rooms eingerichtet wurden (im Gegensatz zu Jim Beam ist hier das Fotografieren der Fässer aber verboten – warum auch immer…). Mir schmeckt keiner der dargereichten Whiskeys besonders gut, aber Ozy verliebt sich in den besonders weichen Gentleman Jack, der zwei Mal gefiltert wird. Da muss einer mit und wir nehmen die Möglichkeit in Anspruch, unsere Flasche mit Lasergravur personalisieren zu lassen. Was für eine schöne Erinnerung!
Ich erstehe noch einen Whiskey Sour Mix (unsere «Hausbar» ist langsam so richtig gut ausgestattet und das auf dem kleinen Raum…) und dann fahren wir kurz durch das kleine, aber hübsche Lynchburg (Jack Daniel’s Merchandise müsste man im dortigen Laden erstehen, in der Destillerie wird nur Alkohol verkauft; mit Sondergenehmigung, denn Lynchburg ist eine «Dry Town» und liegt zudem in einem «Dry County»!).

 

Durch verschneite Wälder geht es nach Südosten. Allmählich wird der Schnee weniger und ist schliesslich ganz verschwunden, als wir die südlichen Ausläufer der Appalachen hinter uns lassen und nach Chattanooga gelangen (es wird in der Nacht aber immer noch unter Null). Wir debattieren etwas, lassen die Stadt dann aber Stadt sein (mir ist der Name vor allem durch das Lied «Chattanooga Choo Choo» bekannt, das aber – ausser dass Chattanooga ein wichtiger Eisenbahnknoten und die Endstation des gleichnamigen Zugs im Song ist – nicht wirklich etwas mit dem Ort zu tun hat). Nach langer Zeit übernachten wir in Fort Oglethorpe wieder einmal auf einem Walmart-Parkplatz und besprechen, wie wir weiterfahren wollen. Dabei merken wir, dass wir ja nicht allzu weit von Cumming, GA entfernt sind. Wir passen unsere Strecke also ein bisschen an, um einen spontanen Besuch bei Geno’s Garage zu machen, gleichzeitig das Hauptquartier des TDR Forum und Magazin, dem wir viele schöne Freundschaften und eine tolle Zusammenkunft im Juni 2019 in Columbus, IN verdanken. Wir freuen uns, Robert und Tina wiederzusehen und Robin kennenzulernen. Robert und Robin hätten eigentlich sehr viel zu tun, nehmen sich aber trotzdem Zeit für eine Führung und einen ausgiebigen Schwatz. Robert leiht uns seinen RAM neuester Generation für eine Probefahrt (schon schön… 😊 ) und lädt uns am Abend sogar noch zum Znacht in Ted’s Montana Grill ein, wo es feine Bison-Produkte gibt – mmm!

 

Am nächsten Tag verabschieden wir uns und fahren weiter Richtung Savannah, GA. Es wird wärmer und wärmer und das Thermometer klettert bis auf 17 Grad. Wie schön! Die Strassen führen durch land- und forstwirtschaftlich geprägtes Gebiet und sind oft von ausgedehnten «Baumfeldern» eingefasst, wie wir die für die Papierproduktion bestimmten, angepflanzten Nadelwälder nennen, dere schmale Stämme wirklich fast wie Grashalme aussehen. Dazwischen finden sich immer wieder Baumwollfelder und die Strassenränder sehen aus, als seien sie eingeschneit.

Die Vegetation wird immer subtropischer, wir können uns kaum vorstellen, dass wir vorgestern noch im Schnee waren!
Zum Übernachten ziehen wir uns die nächsten beiden Nächte auf Parkplätze bei Bootsrampen entlang des Savannah River zurück. Gelegentlich kommen Fischer – mit oder ohne Boot – vorbei, aber alles in allem ist es jeweils sehr friedlich. Uns gefällt die Umgebung, die entlang des Flusses durch Sümpfe voller Zedern, Palmen und Live Oaks geprägt ist, die mit langen Strähnen von Spanish Moss behangen sind. Am Morgen ist es besonders bezaubernd, wenn ein leichter Nebel vom Fluss her über der Gegend zieht. Der einzige kleine Wermutstropfen ist die sehr schlechte Internet-/Telefonverbindung. Und das, obwohl wir eigentlich nicht allzu weit von der «Zivilisation» entfernt sind…
Mittlerweile ist es Dreikönigstag und da ich den traditionellen Dreikönigskuchen vermisse, backe ich kurzerhand einen im Omnia. – Endlich etwas, wofür sich die Ringform super eignet.

 

Bald kommen wir nach Savannah, wo wir zuerst an einer riesigen Papierfabrik und dann am noch viel riesigeren neuen Hafen vorbeifahren. Als Basis haben wir uns den Skidaway Island State Park südöstlich der Stadt ausgesucht, wo wir drei Nächte bleiben werden. Der Park hat schöne Trails und ich laufe gleich mal eine Runde durch einen echten «Mischwald»: Hier stehen Föhren, Palmen, immergrüne Bäume und die klassischen Laubbäume dicht an dicht. Ab und zu lassen sich ein Blick auf den Skidaway River und das Sumpfland erhaschen oder uralte Muschelhaufen, die Erdwälle eines bürgerkriegszeitlichen Forts und Überreste der Destillerien der «Moonshiner» entdecken (das Gebiet war/ist so unzugänglich, dass man hier das illegale Schnapsbrennen prima verstecken konnte).

 

Am nächsten Tag machen wir eine Stadtrundfahrt mit unserem Auto. Es ist zwar einigermassen schön, aber wegen des beissenden Nordwinds nur 11 Grad! Aber so bekommen wir schon mal einen ersten Eindruck, bevor wir am nächsten, wärmeren Tag mithilfe der Old Trolley Tours die Stadt fahrend und zu Fuss erkunden. Um es kurz zu machen: die 1733 gegründete und von General James Oglethorpe planmässig angelegte Stadt gefällt uns ausnehmend gut. Die Kombination aus weitgehen erhaltener historischer Architektur (Holz und Backstein-Gebäude verschiedener Stilrichtungen), kleinen, baumbestandenen «Squares» (ehemalige Exerzierplätze für die Miliz, der Chippewa Square ist durch den Film „Forrest Gump“ berühmt geworden), dem grossen Forsyth Park und der lebendigen Waterfront und vor allem auch die von ausladenden, mit Spanish Moss und Farnen bewachsenen Live Oaks beschatteten Strassen sind einfach nur schön. Die ganze Stadt macht einen heiteren, friedlichen und sehr aufgeräumten Eindruck (auf dem Stadtgebiet herrscht auch Bettelverbot) und scheint trotz grosser Beliebtheit bei den Touristen nicht so überlaufen zu sein. .
Ich setze das Buch „Midnight in the Garden of Good and Evil“ auf meine Buch-Wunschliste und wir finden, dass dies eine Stadt ist, die wir gerne nochmals besuchen würden. Vorerst vertreibt uns aber das Wetter: Am nächsten Tag ist es wieder nur noch 14 Grad, regnet in Strömen und soll in absehbarer Zeit so bleiben. Also nichts wie los Richtung Florida!

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