Pässe, Prärien und ein Regenwald – Montana bis Seattle

Pässe, Prärien und ein Regenwald – Montana bis Seattle

 

Nach einem wegen des Haze wieder spektakulären Sonnenaufgang fahren wir von Cooke City aus den Beartooth Highway, «a National Scenic Byways All-American Road». Diese Passstrasse ist im Winter geschlossen, so dass das sehr abgelegene Örtchen dann nur von Gardiner her durch den Yellowstone NP erreicht werden kann. Jetzt ist es aber noch schön und halbwegs warm, und wir dürfen eine spektakuläre Fahrt über den 3’337 m hohen Bearthooth Pass erleben, auch wenn der Dunst die Sicht stark beeinträchtigt.
Es geht durch Täler und sich verfärbende Wälder, über karge Hochebenen, vorbei an spiegelglatten Seen und von der Erosion blank gefegten Bergspitzen. Die Strasse ist auf der Nordseite spektakulär in rutschende Hänge gelegt und wartet mit einer hohen Anzahl Kurven auf. 

Mit dem hübschen Ort Red Lodge mit vielen schönen Stein- und Backsteinbauten sind wir wieder in der Ebene angelangt und bald biegen wir in Laurel wir auf die I-90 ab, die uns über die nächsten Tage zu unserem Freund Don bei Seattle bringen wird.

Zum Übernachten fahren wir in den Itch-Kep-Pe Park in Columbus. Hier gibt es einen ehemaligen Campingplatz direkt am Fluss, der jetzt frei benutzbar ist. Er erinnert uns ein wenig an Mackay, aber im Gegensatz zu dort wird dieser Park leider nicht gepflegt. Es gibt weder einen Camphost noch irgendein Reservationssystem und die ganze Anlage macht einen sehr desolaten und auch irgendwie deprimierenden Eindruck. Aber vielleicht hat ja auch das sich zunehmend verschlechternde Wetter einen Einfluss.

 

Am nächsten Tag folgen wir auf der I-90 dem Lauf des Yellowstone River. Die Landschaft ist hügelig-bergig und recht karg. Tiefhängende Wolken sorgen aber immerhin für spannende Lichtstimmungen.
Vor Butte biegen wir nach Norden in den Beaverhead-Deerlodge National Forest ab, um zu übernachten. Wir folgen diversen Erdpisten auf der Suche nach einem geeigneten Platz. Es gäbe einige, die in Frage kämen, doch sind diese schon durch mehr oder weniger grösseren Gruppen besetzt. Andere Plätze liegen uns zu nahe an der sehr staubigen Strasse. Schliesslich werfen wir auf einem einfachen NF-Campground Anker, der direkt am hübschen, mit speziell geformten Felsbrocken bestückten Delmoe-Stausee liegt.
Das Wetter bessert sich zusehends und es gefällt uns hier so gut, dass wir spontan vier Nächte bleiben (gegen eine bescheidene Gebühr von 8 $ / Nacht). Der einzige Wermutstropfen ist, dass die ganze Gegend und (warum auch immer) besonders die Strässchen um den Campground und zur nahegelegenen Picnic Area benutzt werden, um mit kleinen und besonders lauten «Renn-ATVs» und Motocross-Maschinen herumzubrettern. Und das manchmal sogar noch um 1 Uhr morgens… 

 

In der Bergbaustadt Butte machen wir eine kleine Stadtrundfahrt und besuchen das Granite Mountain Speculator Mine Memorial, das dem Andenken an die Bergleute gewidmet ist, die beim grossen Minenfeuer von 1917 und bei anderen Unfällen in den zahlreichen Minen in und um Butte ums Leben gekommen sind. Von diesem beeindruckenden Platz aus kann man auch einen Blick auf die noch stehenden Strukturen der alten unterirdischen Minen und die offene Grube des aktuellen Kupferabbaus werfen (seit 1985 Continental Pit als Nachfolgerin der 1982 aufgegebenen Berkeley Pit, die heute leider vor allem wegen ihres schwefelsäurehaltigen Sees bekannt ist).
Die Museen in der Stadt lassen wir aufgrund Schliessungen und anderer Covid-Beschränkungen aus und die Statue «Our Lady of the Rockies», die auf der Continental Divide hoch über Butte thront, kann man nur mit einer Bustour besichtigen (die momentan vermutlich auch ausfällt…).

 

Unser nächster Stopp liegt im rund 40 km entfernten Anaconda, wo die Kupfererze aus den Minen in Butte verhüttet wurden. – Als Erinnerungen an die von 1883 bis 1980 laufende Operation sind von weitem der gewaltige, 178 m hohe «Smelter Stack», das einzige Überbleibsel der Verhüttungsöfen, riesige schwarze Schlackenhalden sowie diverse Umweltprobleme geblieben.

Wir waren 2015 schon einmal hier und haben auf unserer Suche nach einem Aussichtspunkt auf den Riesen-Schornstein John kennengelernt und standen seither in Briefkontakt. Da unser Weihnachtsbrief 2018 wieder zurückgekommen ist, haben wir schon ein ungutes Gefühl als wir in den Sheep Gulch hinauffahren. Trotzdem waren wir in keinster Weise auf das vorbereitet, was uns an seinem ehemaligen Wohnort erwartet: es sieht nicht nur so aus, als ob es hier gebrannt hätte, sondern vielmehr, als ob gleichzeitig auch noch ein Wirbelsturm und eine Horde Vandalen über den Platz hergefallen wären!!! Wir sind tief geschockt und sprachlos und hoffen inständig, dass John nicht hier war, als das passiert ist…
Ziemlich ratlos begeben wir uns in den Ort und – wir wir meinen – zum Polizeiposten. Wir landen stattdessen im Gefängnis.
Zum Glück aber nur im Vorraum.
Da wir nun schon einmal hier sind, versuchen wir, mittels eines Telefons mit einer Dame auf der anderen Seite von dicken Betonmauern zu kommunizieren und uns nach John zu erkundigen. Interessanterweise scheint sie den Namen zu kennen und überhaupt nicht überrascht zu sein. Damit hört die Freundlichkeit aber auch auf und sie kann uns «aus Datenschutzgründen» nicht mitteilen, wohin John verzogen ist. Sie meint, süffisant, wir könnten uns ja bei seinem Sohn nach ihm erkundigen, dessen Telefonnummer und Namen sie uns aber auch nicht geben kann/will… Immerhin lässt sie sich dazu herab, uns zu versichern, dass John noch am Leben sei. Wir hoffen, dass es ihm gut geht und dass wir es irgendwie schaffen, wieder mit ihm Kontakt aufzunehmen.

 

Immer noch erschüttert fahren wir zum Racetrack Campground nördlich von Anaconda, einem anderen (gratis) Campingplatz, der sehr idyllisch am gleichnamigen Bach liegt. Wir sind nach der Saison da und haben den friedlichen Platz fast komplett für uns alleine.

Auf der Karte sieht es so aus, als ob man auf einer Piste «hinten rum» bis nach Philipsburg fahren könnte. Am nächsten Tag versuchen wir unser Glück, auch wenn die rapide zunehmenden schwarzen Wolken nichts Gutes verheissen. Die «Racetrack Road» macht ihrem Namen keine Ehre und wir rumpeln mit reduziertem Luftdruck in den Reifen langsam durch den Wald. Entgegenkommende Jäger informieren uns dann, dass die Piste leider nicht durchgehend sei. Da wir schon recht weit gekommen sind, fahren wir noch an der Racetrack Cabin vorbei bis zu einem kleinen Parkplatz, von dem drei Trails ausgehen, und der gleichzeitig das Ende der mit einem normalbreiten Vehikel befahrbaren Strasse markiert.
Oh, well. Es war ein netter Ausflug durch einen wilden Wald, den wir jetzt nochmals in umgekehrter Richtung durchfahren, um wieder zur I-90 zu gelangen.

Die Interstate führt nun recht malerisch entlang des stark mäandrierenden Clark Fork, der unzählige Male auf zunehmend längeren und höheren Brücken überquert wird. Rechts und links der Strasse kommen die Berge immer näher. Die Wolken türmen sich in immer neuen Formationen auf und lassen manchmal auch ein bisschen Sonne durch.
Hinter Missoula ziehen wir uns zum Übernachten an den Fish Creek zurück, wo auch die mit rund 1.8 m Durchmesser und 61 m Höhe grösste Ponderosa Pine Montanas zu bestaunen ist.

 

Am nächsten Tag besuchen wir das nächste Highlight – das St. Regis Travel Center, wo es nicht nur einen riesigen Montana-Souvenirshop inklusive Aquarium mit 5 verschiedenen Forellenarten gibt, sondern auch und vor allem den «Best Huckleberry Shake Ever» wie grosse Werbetafeln schon laaaange vorher verkünden. Das müssen wir natürlich testen! 
Der Heidelbeer-Shake ist nicht nur gross, sondern tatsächlich auch sehr gut.

Die I-90 führt immer höher hinauf und überquert schliesslich den Lookout Pass, der hier die Grenze zwischen Montana und Idaho bildet. Leider regnet es nun und die Kurvige, stark befahrene Strecke fordert Ozy höchste Konzentration ab.
Nach Coeur d’Alene überqueren wir auch noch die Grenze zu Washington und gelangen wieder auf das grosse und relativ flache Columbia Plateau. Hier, im Schatten der Kaskadenkette, verschwinden die Wolken bald. Dafür wehen dichte Staubschwaden von den abgeernteten Feldern über die Autobahn.

Wir hatten schon letztes Mal Probleme, in dieser stark landwirtschaftlich genutzten Gegend einen Übernachtungsplatz zu finden. Als wir in Moses Lake unsere Route vom Juli kreuzen, überlegen wir kurz, ob wir wieder die Grand Coulee hinauffahren sollen. Wir entscheiden uns dann aber dagegen und fahren noch etwas weiter bis in die Nähe des Columbia Rivers, wo wir einen etwas windigen, aber schönen Platz am Evergreen Reservoir finden.

Die ganze Gegend der Quincy Lakes Wildlife Area gefällt uns so gut, dass wir gleich noch einen Tag bleiben. Verschiedene mit Seen und Tümpeln gespickte Basaltterrassen vermitteln hier zwischen dem Columbia Plateau und der Schlucht des Columbia River. Die blauen Gewässer mit ihren grünen Pflanzengürteln heben sich sehr malerisch von den umgebenden dunklen Basaltwänden ab, weshalb ich mir die Gegend genauer ansehen möchte. Die «kurze Wanderung» entpuppt sich dann als langwieriger und recht benteuerlich, da meine vorgesehene Route versumpft und durch dichtes, teils stacheliges Gebüsch versperrt ist. Mit Hilfe der Satellitenkarte von Google Maps und Wildwechseln finde ich schliesslich einen Weg über diverse Terrassen und komme am Schluss sogar dort wieder zurück aufs Plateau, wo ich ursprünglich geplant hatte.

 

Auf der Weiterfahrt möchten wir uns das nahegelegene «Gorge Amphitheatre» ansehen, auf das zahlreiche Strassenschilder hinweisen. Nach einer kurzen Fahrt durch grüne Weinberge und dicht behangene Apfelgärten stossen wir auf einen grossen Zaun. – Bei der Anlage handelt es sich um ein grosses Openair-Gelände, wo (in nicht Corona-Zeiten…) namhafte Bands vor der Kulisse der Columbia River Gorge auftreten. Nun ist alles zu.

Auf unserem Abstecher in die Frenchman Coulee an den Columbia River hat es dagegen sehr viele Menschen. Anhand der zahlreichen grossen Fahrrad-Anhänger schliessen wir auf ein Radrennen, das hier gestern stattgefunden haben muss. «Lieber sie als ich» geht mir angesichts der sehr steilen Strasse durch den Kopf. Aber auch ohne Rad könnte man sich hier sportlich betätigen: es gibt einen Weg zum Wasserfall, am Columbia River ist Fischen und Bootfahren angesagt und die steilen Basaltsäulen in der Coulee werden sehr gerne zum Klettern genutzt.

Zurück auf der I-90 führt uns die Strasse nach der Überquerung des Columbia River zunächst durch die Prärie und dann ins Kaskaden-Gebirge, wo wir am Kachess Lake (wieder ein Stausee) einen Platz zum Stehen finden. Da hier die ganzen Waldwege für ATVs gesperrt sind und es in dieser Gegend offenbar keine Trails gibt, wird das trockene Seeufer genutzt, um Motocross-Töff und ATV zu fahren. Auch wenn uns der Lärm nervt, haben wir doch ein gewisses Verständnis…

 

Am nächsten Morgen wachen wir in dichtem Nebel auf, der zusammen mit den vielen Baumstümpfen am Seeufer für eine unwirkliche Stimmung sorgt. Zum Glück lichtet er sich bald wieder und nach einem kurzen WC-Besuch im Lake Easton State Park, wo das erste Mal von einem Ranger unser Jahrespass für die Washington SPs kontrolliert wird, folgen wir der I-90 durch die Berge und über den Snoqualmie Pass. 

Wieder im Tal machen wir einen Abstecher zu den Snoqualmie Falls. Obwohl ein Teil des Wassers zur Elektrizitätsgewinnung abgezweigt wird und der Fluss jahreszeitbedingt nur wenig Wasser führt, ist der Anblick des sich über eine 82 m hohe Kante in eine schmale Schlucht stürzenden Wassers immer noch sehr beeindruckend. Nachdem wir uns genug eingenebelt haben, machen wir uns auf die Suche nach einem Übernachtungsplatz. Das stellt sich als sehr schwierig heraus, da fast alle Waldstrassen innerhalb der umliegenden State Forests mit Barrieren abgesperrt sind. – Wir sind hier wohl schon zu nahe an der dicht besiedelten Küstenebene um Seattle und Tacoma…

Schliesslich finden wir dann doch noch eine Strasse, die uns zu einer weiteren Strasse führt, die ein paar Ausstellplätze hat (ironischerweise landen wir auf einem Platz, der bereits in iOverlander eingetragen gewesen wäre). Bereits die Suche hat sich gelohnt, befinden wir uns doch auf der Westseite des Kaskadengebirges im Regenwald! Alles ist grün – die Bäume (natürlich), die moosbewachsenen und flechtenbehangenen Stämme und Äste, der mit hohen Farnen bestandene Boden und sogar das Licht, das da und dort durch das Blätterdach dringt. Die Vegetation ist so, dass man Affengekreisch und das Zwitschern und Singen tropischer Vögel erwarten würde. Im Gegensatz zum tropischen Regenwald ist es hier aber fast unheimlich still und wir hören nur das gelegentliche Tropfen von Wasser und manchmal ein verstohlenes Rascheln.

 

Nach einer wunderbar ruhigen Nacht geht es am nächsten Tag wieder in die Zivilisation: Don hat uns erneut seine Gastfreundschaft angeboten, die wir sehr gerne annehmen. Wir freuen uns, wieder Zeit mit ihm verbringen zu können und Ozy ist froh, dass er Dons Werkstatt nutzen darf, um ein paar Reparaturen bzw. Verbesserungen durchzuführen.
Hierbei ist der Austausch der Solarzellen prioritär: statt der flexiblen kommen nun klassische Glaspaneele drauf, von denen wir hoffen, dass sie länger halten (die flexiblen Solarzellen hatten wir erst im Mai 2017 montiert…). Was allerdings immer noch bobmenfest hält, ist der Titgemeyer-Kleber mit denen sie montiert waren. Ozy müht sich zwei Tage lang ab, um erst die Paneele und dann die Kleberreste zu entfernen…
Danach stattet Ozy noch den Kompressor mit einem Luftfilter aus und ersetzt die Rückfahr- und Seitenspiegel-Kameras durch besser geeignete Modelle.
Da wir bei Don eine Adresse haben, bestellen wir auch sonst noch so allerlei «für Haus und Hof», was sich im Verlauf der Reise als nötig oder «very nice to have» herausgestellt hat…
Ich mache inzwischen Büro und Blog und erfreue mich an der Dusche und der grossen Küche mit richtigem Backofen.
Ansonsten geniessen wir die Zeit mit Don, der uns wieder mit wunderbarem BBQ verwöhnt. Ozy kann ihm auch dabei helfen, seinen Camper und seine elektronischen Geräte zu optimieren. Am Abend kämpfen Don und ich am Flipper jeweils um den Tagessieg, während Ozy an Dons historischer Slot Machine abräumt.

 

So geht die Zeit vorbei wie im Flug und nach drei Wochen brechen wir ungern wieder auf. Einserseits wird es kalt, andererseits planen wir am 13. November in Las Vegas zu sein, wo wir einige Tage mit unseren Freunden Vicki und Steven verbringen dürfen, bevor wir am 18. November auf Heimurlaub fliegen.
Was wir auf der Reise in den Süden alles erleben, erfahrt Ihr im nächsten Blog!

Danke, Don!
Kommentare sind geschlossen.